Berlin

Gärten der irdischen Freuden

»Mesocosmic Indoor Overture« von Heather Phillipson in der Ausstellung »Garten der irdischen Freuden« Foto: imago images / snapshot

Der Garten Eden hat einen Zaun. Im Alt-Iranischen steht pairi-daeza für Einzäunung oder Umwallung. Das Wort ist Ursprung für unseren Begriff Paradies. Solche Grenzen – und ihre Überwindung – von Paradies und Garten, zwischen Mensch und Natur, der Welt und ihren Bewohnern sind Themen im »Garten der irdischen Freuden«.

Die Ausstellung im Berliner Gropius-Bau entführt ab heute bis zum 1. Dezember mit den Arbeiten von 22 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern in eine teils traumschöne, mitunter brutale Welt komplexer Zusammenhänge.

Tacita Dean hat einen eindringlichen Film über den Lyriker Michael Hamburger gedreht.

Ausgangspunkt ist ein sehr altes Werk. Im 16. Jahrhundert entstand eine Kopie des Mittelteils von Hieronymus Boschs berühmtem Triptychon »Garten der Lüste«.

Welt Diese bizarre Welt irgendwo zwischen Paradies und Hölle beschäftigt Stephanie Rosenthal seit Jahrzehnten. Es sei »eigentlich eine sehr kindliche Begeisterung« gewesen, keine professionelle, sagt die Direktorin des Gropius-Baus. Fasziniert habe sie, »dass man mit so einem Bild, mit dem Paradies, mit dem Garten eben auch über den Zustand unserer Welt sprechen kann«.

Diesen Ansatz greifen viele der Arbeiten auf, die teils für die von Rosenthal und Clara Meister kuratierte Ausstellung entstanden sind. Die Südafrikanerin Lungiswa Gqunta hat aus den scharfen Kanten zerbrochener Cola-Flaschen eine brutal-faszinierende Rasenfläche konstruiert. »Dinge wie Gärten und Rasen stehen für unerreichbaren Luxus«, sagt die Künstlerin mit Blick auf das bis heute nachwirkende Apartheid-System in ihrem Land. Gärten waren für Schwarze oft nur zugänglich, um dort zu arbeiten.

Heimat Die Britin Tacita Dean hat einen eindringlichen Film über den als Jude vor den Nazis geflohenen Lyriker Michael Hamburger (1924–2007) gedreht. In seinem von einem Garten umschlossenen Arbeitszimmer berichtet der aus seiner Heimat Geflohene nicht über sein Schicksal, sondern über die Apfelsorten und deren Ursprung.

Die Japanerin Yayoi Kusama hat mit ihren farbigen Punkten einen Raum mit drei riesigen Kunstblumen gestaltet.

Samen und Abstammung spielen auch in anderen Arbeiten eine Rolle: Die Australierin Libby Harward verwendet für ihre Installation Pflanzen, die erst mit europäischen Entdeckungsreisen auf ihren Kontinent gelangten. Im Außenbereich hat die aus Brasilien stammende Maria Thereza Alves eine Arbeit aus Samen, Schutt und Beton installiert. Auch dort wird die Pflanzenwelt im Ausstellungsverlauf weiter wachsen und die Arbeit so ständig verändern.

Pflanzen Der Chinese Zheng Bo setzt sich in seinen Videos in direkte Verbindung mit dieser Pflanzenwelt. Er beschreibt, was auch zu sehen und zu hören ist: »In einem Garten können wir anderen Arten begegnen, sie streichen, riechen, schmecken, von ihnen lernen, mit ihnen tanzen und sogar erotische Beziehungen zu ihnen aufbauen.«

Die Japanerin Yayoi Kusama hat mit ihren farbigen Punkten einen Raum mit drei riesigen Kunstblumen gestaltet. Von John Cage ist eine Komposition aus den 80er-Jahren zu hören, deren Noten auf die Ränder von Steinen eines Gartens zurückgehen.

Landschaft Die Schweizerin Pipilotti Rist hat »Homo Sapiens Sapiens« beigesteuert. In der an die Decke gebeamten Videoarbeit – 2005 Teil der Biennale in Venedig – erkunden zwei Frauen eine Landschaft, interagieren mit den Früchten, die sie finden.

Direktorin Rosenthal beschreibt die Wirkung des Raumes: »Man spürt die Haut der Früchte und die Haut der Menschen so direkt, dass es eine Freude ist, sich dort niederzulassen.«

26. Juli bis 1. Dezember 2019

Italien

Kino zeigt Film über Holocaust-Überlebende nicht

Aus Angst vor Protesten nimmt ein Filmtheater in Mailand die Doku »Liliana« aus dem Programm

von Robert Messer  14.11.2024

Literatur

»Schwarze Listen sind barbarisch«

Der Schriftsteller Etgar Keret über Boykottaufrufe von Autoren gegen israelische Verlage, den Gaza-Krieg und einseitige Empathie

von Ayala Goldmann  14.11.2024 Aktualisiert

Interview

»Wir sind keine zweite Deutsch-Israelische Gesellschaft«

Susanne Stephan über den neuen Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten

von Ayala Goldmann  14.11.2024

Film

Verstörend

»No Other Land« blickt bewusst einseitig auf einen Konflikt zwischen Israels Armee und Palästinensern

von Jens Balkenborg  14.11.2024

USA

Leinwand-Kämpfer

»Fauda«-Star Lior Raz schwitzt und blutet nun auch in »Gladiator II«. Damit gehört er zur jüdischen A-List der Traumfabrik – und wird Teil einer alten Tradition

von Sarah Thalia Pines  14.11.2024

Meinung

Patrick Bahners und die »Vorgeschichte« zu den judenfeindlichen Hetzjagden in Amsterdam

Daniel Schwammenthal über das Pogrom von Amsterdam und seine Bagatellisierung durch deutsche Journalisten

von Daniel Schwammenthal  13.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2024

Berlin

Bund gibt Wandteppich als Nazi-Raubkunst zurück

Das Objekt geht an die Erben von Albert Freiherr von Goldschmidt-Rothschild (1879–1941)

 13.11.2024

Internet

Schoa-Literatur auf Amazon verzweifelt gesucht

Warum das Buch des Auschwitz-Überlebenden Miklós Nyiszli plötzlich gegen die Konzern-Richtlinien verstieß und verschwand

von Martin Krauß  13.11.2024