Leicht beschwingt, schon fast energisch, hüpft Stanislaw M. Rybarczyk auf dem hölzernen Dirigentenpult. Das Zeichen für den Breslauer Synagogalchor, noch einmal kräftig zu singen, ehe er die Stimmen etwas senkt, um zu Avitall Gerstetter, der Solistin des Chores, überzuleiten. Sanft hebt die Berliner Kantorin die Stimme. Ihre Augen fast geschlossen, taucht sie in das »Hashkivenu« des Komponisten Arno Nadel ein und sorgt damit für Gänsehaut in der Synagoge Rykestraße.
Der Breslauer Synagogalchor war nur eines von sieben Ensembles, die am Sonntagabend beim Abschlusskonzert des Louis-Lewandowski-Festivals aufgetreten sind. Vor ausverkauftem Haus erklangen 17 Kompositionen von Musikern, die während der Schoa vertrieben oder ermordet wurden.
Themenjahr Damit orientierte sich das Festival mit dem Motto »Zerissenes Firmament« am Berliner Themenjahr »Zerstörte Vielfalt«. Den Anfang machte der Leipziger Synagogalchor mit »Ki Lekach Tow« des Musikers Samuel Lampel (1884–1942). Festivaldirektor Nils Busch-Petersen war davon sehr berührt. »Ich dachte immer, ich müsste bei der Musik von Sulzer schluchzen.« Der Leipziger Chor allerding ging ihm so nahe, dass er ihn mit einem aufrichtigen »Danke, Leipzig« verabschiedete.
Das Festival, das drei Tage dauerte und mit Konzerten an verschieneden Orten in Berlin präsent war, hat »ein überwältigendes Echo bekommen«, sagte Busch-Petersen der Jüdischen Allgemeinen. Die etwa 2500 bis 3000 Besucher hätten das »hohe kulturelle Niveau gelobt«. Und auch die Stimmung bei den Chören, die unter anderem aus Polen, Israel und Großbritannien nach Berlin gekommen waren, sei sehr familiär gewesen, betont Busch-Petersen. Noch Stunden nach dem Ende des Abschlusskonzerts saßen die Chöre auf den Treppen im Foyer der Synagoge und sangen.
Gemeinsam Dass Chorarbeit Gemeinschaftsarbeit ist, zeigte sich auch bei den Auftritten am Sonntag. So »verlieh« das Synagogal Ensemble Berlin Solisten an die anderen Chöre. Für die Berliner war der Auftritt mit Kantor Isaac Sheffer ein Heimspiel. Minutenlanger Applaus war den Sängerinnen und Sängern unter der Leitung von Regina Yantian sicher.
Und noch eine Überraschung gab es am Sonntagabend. Denn zum ersten Mal wurde »Louis« verkauft. Der Plüschteddy, der seit Jahren ein Symbol des Chortreffens ist, kam so gut an, dass die eine oder andere Sitzbank im Innenraum der Synagoge nach der Pause mit einem Bär belegt war.
Vielleicht gibt es den plüschigen Bären ja auch im kommenden Jahr. Dann widmet sich das Festival unter dem Motto »Stars and Stripes« den Künstlern, die sich in die USA retten konnten.
www.louis-lewandowski-festival.de