Kriegerische Konflikte verursachen viel Leid. Der Zweite Weltkrieg war auch für Kunstschaffende und Kunstliebhaber eine düstere Zeit. Die Nationalsozialisten sahen sämtliche Werke, die nicht ihrer Ideologie entsprachen, als »Verfallskunst« an. Durch mutige Aktionen Einzelner konnten solche, von den Nazis als »entartet« diffamierte Werke vor der Zerstörung gerettet werden. Der 3sat-Dokumentar-Film »Kunstretter - Im Sturm auf die Moderne« begibt sich am 25. Januar um 19.20 Uhr auf Spurensuche, die dieser Kunst und ihren Rettern 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein Gesicht gibt.
Am 19. Juli 1937 wurde in München die Ausstellung »Entartete Kunst« eröffnet. Sie stand im Zentrum eines Sturms auf die Moderne und ihre Künstler - mit Verfolgung, Beschlagnahmung und Zerstörung. Der Kampf gegen die Moderne Kunst eskalierte mit der Beschlagnahmung von rund 21.000 Werken, die die Nationalsozialisten als »entartet« ansahen. Aus über 100 Museen in Deutschland wurden damals Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Druckgrafiken beschlagnahmt - Werke des Expressionismus, Futurismus, Kubismus sowie sozialkritische und solche von jüdischen Kunstschaffenden.
Versteckt, verkauft oder manipuliert
Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Pablo Picasso, Emil Nolde und Otto Dix - für die Kunst dieser Meister der Moderne hatten die Nazis nur tiefe Verachtung übrig. Avantgardistische Stilrichtungen in der Kunst lehnten sie pauschal ab als »undeutsch«, »krank« und »jüdisch-bolschewistisch«.
Der Film zeichnet nach, wie durch beherzte Aktionen Einzelner bedeutende Werke vor der Zerstörung bewahrt werden konnten. Nur wenige wagten es, sich den Anordnungen zu widersetzen, indem sie Werke versteckten, ins Ausland verkauften oder geschickt Beschlagnahmungen manipulierten.
Die Hamburger Firma »Doclights« hat die Dokumentation entwickelt. Mit der Zusage von 3sat kam Lars Hering hinzu, um ein Drehbuch zu schreiben und möglichst viele Facetten des Themas zu beleuchten. »Was mich antreibt, sind die Geschichten hinter den Geschichten«, sagt Hering . Viele hätten zumindest von der ›Entarteten Kunst-Ausstellung‹ gehört. »Dem aber noch eine Dimension hinzuzufügen und eine andere Perspektive auf diese Zeit zu bekommen, das hat mich für diesen Film motiviert.«
Außergewöhnliche Perspektiven
Einerseits sind die Protagonisten in der Dokumentation Forschende wie die Kunsthistoriker Christoph Zuschlag und Anita Beloubek-Hammer. Sie bilden mit ihrer Expertise das Gerüst für den Film. Andererseits bietet der Film durch den Augsburger Künstler Maximilian Prüfer und den Elmshorner Regionalhistoriker Reiner Adomat außergewöhnliche Perspektiven auf das Thema.
So wurde in einem Nebensatz eines wissenschaftlichen Artikels zu den Repressionen in Mannheim 1933 ein »Fall in Elmshorn« erwähnt. Mit diesen sehr vagen Informationen konnte Lars Hering eine Verbindung zu Reiner Adomat und seinen Recherchen zu Alfred Heuer herstellen: Er rettete 91 Bildern von Emil Nolde vor den Nazis. Die Rekonstruktion dieser Ereignisse macht die Doku spannend wie einen Krimi.
Ungewöhnliche Spurensuche
»Kunstretter - Im Sturm auf die Moderne« ist eine ungewöhnliche Spurensuche. Sensibel zeichnet der Film Geschichten von weitestgehend unbekannten Menschen nach, die sich den Plänen der Nazis mutig in den Weg gestellt haben.
Filmemacher Hering hat die Hoffnung, dass deren Geschichten das Publikum ebenso beeindrucken wie ihn selbst. Denn sie erzählten von Mut und Hingabe - nicht blind mitzulaufen, sondern wachsam und standhaft zu bleiben. Als musikalisches Statement für ein Erwachen aus einer dunklen Zeit steht am Ende der Beatles-Song »Blackbird«, einmal in der Piano-Version und dann im Original eingespielt. In der letzten Zeile heißt es dort: »You were only waiting for this moment to arise« (dt.: Du hast nur auf diesen Moment gewartet, dich zu erheben).
»Kunstretter – Im Sturm auf die Moderne«. Dokumentarfilm von Lars Hering. 3sat, Sa 25.01., 19.20 bis 20.00 Uhr.