Sie dreht die Heizung hoch, er dagegen eher runter, sie macht alle Fenster zu und zieht in Räumen gerne mal einen Pullover an, er sorgt lieber für Durchzug und läuft dann nur in Boxershorts durch die Wohnung. Nicht selten kann das zu Missverständnissen führen, manchmal sogar zum handfesten Streit. Frauen gelten deshalb als Frostbeulen und Männer als Frischluftfanatiker.
Offensichtlich existiert je nach Geschlecht ein unterschiedliches Kälteempfinden. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich schon länger mit diesem Phänomen. Mal heißt es, dass der Anteil der Muskelmasse – beim Mann beträgt sie rund 40 Prozent des Körpergewichts, bei Frauen etwa 25 Prozent – die Ursache sei, mal werden Östrogene oder die unterschiedliche Beschaffenheit der Haut als Faktoren genannt.
NERVENSYSTEM Einen völlig anderen Erklärungsansatz liefern nun Forscher aus Israel. Dabei griffen sie ausgerechnet auf Daten zurück, die über 40 Jahre hinweg bei der Beobachtung von 13 Vogel- und 18 Fledermausarten in der Region generiert wurden. Und das aus gutem Grund: »Wir glauben, dass die geschlechterspezifischen Temperaturpräferenzen mit dem jeweiligen Nervensystem im Zusammenhang stehen«, sagt Eran Levin von der School of Zoology der Universität Tel Aviv.
»Genauso wie Männchen und Weibchen Schmerzen anders empfinden, nehmen sie auch Wärme und Kälte unterschiedlich wahr«, so der Leiter der Studie, deren Ergebnisse gerade im Fachmagazin »Global Ecology and Biogeography« veröffentlicht wurden. »Das hat zur Folge, dass sie sich oft getrennt voneinander aufhalten.«
Weibliche Fledermäuse leben lieber in den Tälern, in denen Wärme vorherrscht.
Über die verschiedenen Verhaltensformen von männlichen und weiblichen Lebewesen wurde schon viel geschrieben, auch die Erklärungen variieren von Art zu Art. »Bei Vögeln und Fledermäusen aber konnten wir ein klares Muster erkennen, das sich durchaus auf die jeweiligen Temperaturen zurückführen lässt«, berichtet Levin. »Ähnliches gilt übrigens auch für Mäuse.
Hier leben Männchen ebenfalls lieber als die Weibchen an Orten, die ein paar Grad kühler sind. Unsere Theorie legt nun nahe, dass manche Arten aufgrund einer natürlichen Selektion Wärme und Kälte recht unterschiedlich wahrnehmen können.«
FORTBESTAND Männliche Fledermäuse beispielsweise fühlen sich in den höher gelegenen Gebieten wohler, wo es deutlich frischer ist. Weibchen dagegen leben lieber in den Tälern, in denen Wärme vorherrscht. Daraus ergeben sich durchaus Vorteile für den Fortbestand der eigenen Art. »Die Geschlechter bleiben außerhalb der Paarungs- und Brutzeit separiert«, betont Levin.
»Das wiederum minimiert die Konkurrenz untereinander und reduziert mögliche männliche Aggressionen gegenüber den Weibchen und ihrem Nachwuchs.« Zudem bringe das größere Kälteempfinden beim weiblichen Geschlecht einen weiteren evolutionären Pluspunkt mit sich. Muttertiere würden so eher veranlasst, die Jungen angemessen warm zu halten, kurzum, die Überlebenschancen werden erhöht.
Levins Kollegin Tali Magory Cohen ist überzeugt, dass all diese Aspekte auch beim Menschen eine Rolle spielen. »Unterm Strich können wir sagen, dass der Unterschied im Wärmeempfinden nicht deshalb entstanden ist, damit wir uns mit unseren Partnern über die Klimaanlage streiten können, sondern eher das Gegenteil.«
abstand Es geht um einen gewissen Abstand, den Männer und Frauen zueinander gelegentlich einnehmen sollten. »Die Besonderheiten können auch mit soziologischen Phänomenen in Verbindung gebracht werden, die bei vielen Tieren und sogar bei Menschen beobachtet werden, wenn sie gemeinsam in Erscheinung treten: Weibchen neigen dazu, viel mehr Körperkontakt untereinander zu haben, während Männchen eher Abstand halten und den Kontakt zum gleichen Geschlecht häufiger scheuen.«
All das sorge für mehr Frieden und Ruhe zwischen den Geschlechtern – so wie vielleicht auch die Erkenntnisse der Forscher aus Israel. Denn es gibt offenbar gute Gründe, warum Frauen schneller frieren und deshalb die Heizung aufdrehen wollen.