Psychoanalyse ist keine exakte Wissenschaft und kein standardisiertes medizinisches Verfahren. Was sie stattdessen eigentlich ist, lässt sich am besten anhand des Lebens ihres Begründers Sigmund Freud selbst erklären. Das haben die Psychologin Corinne Maier und die Illustratorin Anne Simon getan. Herausgekommen ist eine Graphic Novel, die ebenso intelligent wie unterhaltsam in Freuds Biografie und seine Seelenlehre einführt. Das zuerst in Frankreich erschienene Buch ist diesen Monat deutsch bei Knesebeck herausgekommen.
fallstudien Chronologisch führt der Bilderreigen von Freuds akademischem Werdegang über die jüdische Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim, die als Freuds »Fall Anna O.« in die Geschichte der Psychoanalyse einging, hin zum »Fall Dora«, der Wiener Unternehmertochter Ida Bauer, die von ihrem Vater zur Psychoanalyse geschickt wurde, weil sie den Mann nicht wollte, den er für sie ausgesucht hatte. Weiter geht es schnur-stracks zum Ödipus-Komplex und zum »Rattenmann«, einem jungen Wiener Juristen mit Pferdephobie. Die Sätze der Sprechblasen sind meist Originalton Freud. Mit leichtem und liebevollem Strich führt Anne Simon in die bildhaften Abgründe der Psyche. Die erlebt auch Freud. Er muss 1938 vor den Nazis nach London emigrieren. Hier stirbt er.
Heute gilt die Psychoanalyse vielen als überholt, von ihrer Krise ist immer wieder die Rede. Doch der Comic-Freud resümiert fast trotzig: »Im 21. Jahrhundert braucht man mich immer noch.«
Und augenzwinkernd fügt er hinzu, direkt an den Leser gerichtet: »Vergessen Sie nicht, was mein Name, FREUD, bedeutet.«
Corinne Maier, Anne Simon: »Freud. Die Graphic Novel«, Knesebeck, München 2012, 48 S., 19,95 €