Am 16. Mai 1935 berichtete das »Israelitische Familienblatt« über ein »ehrenvolles Unentschieden«. Der Polizeisportverein Berlin (PSV), genauer: dessen Damenhandballabteilung, hatte sich von den Handballerinnen des Jüdischen Turn- und Sportclubs (JTSC) Berlin 05 mit einem Remis getrennt. Obwohl der PSV immerhin amtierender Berliner Meister war, war das Unentschieden nicht die Sensation. Auch nicht, dass das Spiel zwei Jahre nach der »Machtergreifung« überhaupt zustande kam. Die Ungeheuerlichkeit bestand vielmehr darin, dass zwei JTSC-Sportlerinnen beim PSV aushalfen, weil der nur mit neun Spielerinnen angereist war.
Sportbegegnungen zwischen jüdischen und sogenannten paritätischen Sportvereinen waren seit dem Januar 1933 zwar selten, aber es gab sie. Sehr vereinzelt berichteten jüdische Zeitungen noch über Begegnungen zwischen »jüdischen und nichtjüdischen Gegnern«. Dabei waren solche Spiele nicht verboten, genauso wenig wie der Ausschluss der jüdischen Sportler und der jüdischen Mannschaften aus den deutschen Sportvereinen und -verbänden durch die sportpolitische Führung des NS-Staates verfügt worden war.
In seinen »Richtlinien für den Sportbetrieb von Juden und sonstigen Nichtariern« vom Juli 1934 wies der Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten darauf hin, dass nicht nur »die Bildung und Betätigung jüdischer usw. Sportvereine« zulässig sei, sondern dass auch »keine Bedenken« bestünden, wenn »Vereine des Reichsbundes für Leibesübungen Trainings- und Gesellschaftsspiele sowie sonstige Wettkämpfe gegen die obenbezeichneten Vereine austragen«. Nur aus dem Reichsbund waren die jüdischen Vereine und ihre Sportler ausgeschlossen.
Hetzkampagne Es waren die anstehenden Olympischen Spiele 1936, die das NS-Regime zur Zurückhaltung brachten. Außergewöhnlich war aber, dass die Damen des PSV zwei jüdische Spielerinnen in ihrer Mannschaft mitspielen ließen – das passte auch ein Jahr vor Olympia nicht mehr in das nationalsozialistische Volksgemeinschaftskonzept.
Zwei Wochen nach dem Spiel startete die nationalsozialistische Presse eine Hetzkampagne gegen die Handballdamen des PSV, die mit einem kurzen Beitrag in der SS-Zeitschrift »Das Schwarze Korps« zunächst noch relativ sachlich begann. Unter der Überschrift »Wie ist das möglich?« berichtete das Blatt über das Spiel, um abschließend zu fragen: »Es dürfte immerhin interessant sein, wer für das Zustandekommen dieser sportlichen Begegnung verantwortlich zeichnet«. Weitere 14 Tage später hatte die SS-Zeitung die Verantwortlichen identifiziert. Zwar war das Spiel ausdrücklich vom Gaufachamt für Handball des Reichsbundes für Leibesübungen genehmigt worden, aber die Damen hatten »den Vereinsleiter (nicht) davon in Kenntnis« gesetzt.
Damenmannschaft In der Zwischenzeit hatte der offenbar auf das »Schwarze Korps« reagiert, denn das Blatt konnte bereits vermelden, dass die Damenmannschaft des PSV »durch den Vereinsleiter aufgelöst worden« war. Mit dem öffentlich verkündeten Ausschluss der Handballdamen des PSV aus ihrem Verein war die Angelegenheit aber keineswegs abgeschlossen.
Im Juli 1936 startete das Hetzblatt »Der Stürmer« unter dem Titel »Der Berliner Polizei-Sportverein und seine Beziehungen zum jüdischen Sport« einen Frontalangriff gegen den PSV: »Es ist also Tatsache, dass die Leitung des Berliner Polizei(!)-Sport-Vereins es fertigbrachte, deutsche Frauen gegen Jüdinnen spielen zu lassen. Durch die Verstärkung der unvollständigen Polizeimannschaft durch zwei Jüdinnen ergibt sich sogar der krasse Fall, dass fremdrassige Weiber in den Reihen der deutschen Frauen standen«.
In einem Brief an den »Stürmer« distanzierte sich der Vereinsführer des PSV von den Handballerinnen. Als »überzeugter Antisemit« billige er den Vorfall nicht und erklärte: »Der Leiter der Abteilung war kein Polizeibeamter«. Der »Stürmer« war zufrieden mit dem Vereinsführer: »Solche Männer brauchen wir!« Allen PSV-Sportlerinnen jedoch, die an dem Spiel gegen den JTSC beteiligt waren, wurde die Mitgliedschaft auf Lebenszeit aberkannt. Im September 1936, kurz nach den Olympischen Spielen in Berlin, untersagte der Reichsausschuss für Leibesübungen seinen Vereinen dann endgültig, Wettkämpfe gegen jüdische Vereine auszutragen.
Der Autor ist Sportwissenschaftler an der Universität Hannover.