Frau Kaplansky, wann haben Sie sich in Ihrer Familie zuletzt über das Café Nagler unterhalten?
Wir sprechen die ganze Zeit darüber. Für meine Großmutter ist es ein sehr bedeutendes Thema – gerade jetzt, da der Film in deutschen Kinos zu sehen ist und so gute Kritiken bekommt. Für meine ganze Familie und insbesondere für meine Großmutter ist das sehr schön. Das Café bekommt damit seine letzte Ehre.
Wie hat Ihre Großmutter reagiert, als Sie ihr schlussendlich doch erzählen mussten, dass das Café nur irgendein Café in Berlin war und kein Mythos?
Sie hat auf dem Filmfestival in Haifa den Film gesehen. Und sie liebt ihn, den kreativen Teil, den Humor. Sie schätzt es natürlich, dass ich so viel Energie in den Film gesteckt habe. Sie hat mich allerdings irgendwann einmal auf meine Suche angesprochen und meinte, ich hätte vielleicht nicht an den richtigen Stellen geschaut. Sie ist nun einmal eine Jeckete, und man kann niemals so richtig gut arbeiten. Aber vielleicht hat sie ja auch Recht, und es gibt das Café tatsächlich noch irgendwo.
Sie haben für Ihren Film lange in Berlin recherchiert. Wie haben Sie die Stadt erlebt?
Wir hatten unzählige Quellen für unseren Film, viele Personen, die uns über Dinge berichtet haben, die mit dem Café zu tun haben. Aber oftmals stellte sich heraus, dass sie vielleicht doch einen anderen Ort meinten. Alles in allem war es aber eine aufregende Zeit. Jeder war so offen, hilfsbereit, und viele Archivmitarbeiter rissen sich fast ein Bein aus, um uns zu helfen. Von dem Moment an, an dem ich zum ersten Mal nach Berlin gekommen war, fühlte ich mich sofort zu Hause. Alles hat mich fasziniert. Es gibt hier so viele freie Flächen, die noch Geschichte atmen. Sie sind wie Monumente.
Ihre Großmutter war auch Dokumentarfilmerin. Hat Sie sie in Ihrer Berufswahl unterstützt?
Vielleicht nicht aktiv, aber sie hat mir von all ihren Drehorten auf der Welt Postkarten geschickt, und ich konnte sie von klein auf zu ihren Reisen befragen. Ich habe zu ihr aufgeschaut, denn sie führte ein abenteuerliches und kreatives Leben. Das wollte ich auch. Es hat allerdings eine Weile gedauert.
Was ist Ihr nächstes Filmprojekt?
Ich schreibe gerade an einem Drehbuch, von dem ich noch nicht weiß, ob es eher dokumentarisch, fiktiv oder eine Mischung aus beidem sein wird. Wir haben viele Geschichten in der Familie. Der Vater meiner Großmutter war im Zweiten Weltkrieg Freiwilliger bei der Britischen Armee in Palästina. Er hat in Europa gekämpft und geriet in Deutschland in Kriegsgefangenschaft. Das ist eine ziemlich einzigartige Geschichte, dass ein jüdischer Soldat Kriegsgefangener war. Wir haben alle seine Briefe aufgehoben, die Skizzen, die er angefertigt hat. Meine Großmutter hat während der Jahre seiner Gefangenschaft – sie muss damals zwölf gewesen sein – keinen Vater gehabt. Und darüber würde sich dann auch ein Teil des Films drehen.
Mit der Regisseurin sprach Katrin Richter.
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