Medizin

Forschung statt Eiswasser

Eiskalt erwischt: Doch die neue ALS-Therapie funktioniert auch im Trockenen. Foto: dpa

Eiswürfel haben in diesen Tagen Hochkonjunktur. Stars, Sternchen und Durchschnittsbürger auf der ganzen Welt kippen sich eiskaltes Wasser über den Kopf, lassen sich dabei filmen und stellen die Clips ins Internet. Wahrscheinlich wissen die wenigsten, worum es dabei genau geht.

Doch die Initiative der amerikanischen ALS Association rückt die unheilbare Erkrankung des motorischen Nervensystems, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), auf diese Weise ins Licht der Öffentlichkeit und sammelt gleichzeitig Millionen an Spenden. Israelische Wissenschaftler schütten sich derweil kein Eiswasser übers Haupt, sondern arbeiten fieberhaft an der Hilfe für Betroffene.

Bei ALS kommt es zu einer fortschreitenden und nicht reparablen Schädigung oder Degeneration der Nervenzellen (Neuronen). Sie sind für die Muskelbewegungen verantwortlich. Durch die Degeneration werden die Muskeln geschwächt, gelähmt und schwinden. Mit der Lähmung der Muskulatur gehen Gang-, Sprech- und Schluckstörungen sowie eingeschränkte Koordination einher. Das alltägliche Leben kann schon im Anfangsstadium für die Betroffenen sehr eingeschränkt und belastend sein.

Stammzellen Weltweit erkranken jährlich auf 100.000 Menschen etwa drei bis neun neu an ALS. In Deutschland wurde die tückische Krankheit durch den Maler Jörg Immendorff bekannt, der publik machte, dass er daran erkrankt ist. Auch der berühmte Physiker Stephen Hawking hat ALS. Der Brite jedoch leidet unter einer sehr langsam fortschreitenden Variante. Bei ihm wurde sie bereits vor rund 50 Jahren diagnostiziert.

Ein börsennotiertes Unternehmen für Biomedizintechnik im israelischen Petach Tikwa, BrainStorm Cell Therapeutics, forscht seit Jahren an der Wirkung von adulten Stammzellen für den Einsatz bei Erkrankungen des motorischen Nervensystems. Bei dem Verfahren mit Namen »Nur- Own« werden dem Patienten Stammzellen aus dem eigenen Knochenmark entnommen. Mithilfe dieser Zellen werden neue, gestärkte gezüchtet. Diese geben ein Sekret ab, das die existierenden Neuronen schützt und die Bildung neuer fördert. Außerdem stärkt es die Nerven-Muskel-Interaktion. Die Technologie basiert auf der Forschung der Mediziner Daniel Offen und Eldad Melamed an der Universität Tel Aviv.

ALS gilt als unheilbare Krankheit. Weltweit sterben in den ersten drei bis fünf Jahren, nachdem sich Symptome zeigen, 90 Prozent der Erkrankten durch das Versagen des Atemapparats. NurOwn soll die für die Patienten oft unerträglichen Begleiterscheinungen von ALS mildern und gleichzeitig das Fortschreiten dieser und anderer neuromuskulärer Krankheiten verlangsamen.

Probanden In diesen Tagen beginnt für BrainStorm die Phase zwei der klinischen Versuche an drei großen US-Krankenhäusern: der Mayo-Klinik in Minnesota, dem General Hospital in Boston und der Universitätsklinik von Massachusetts in Worcester. Ein großer Erfolg für das Unternehmen. Das Besondere an der Methode von BrainStorm erläutert Geschäftsführer Tony Fiorino: »Es gibt viele Firmen, die im Bereich Stammzellen tätig sind. Was uns hervorhebt, ist, dass wir uns bereits in der klinischen Phase befinden. Außerdem wenden andere Unternehmen eine Art Holzhammer-Methode an. Dabei verwenden sie frühe Stammzellen, die Potenzial haben. Unsere Zellen aber sind quasi Fabriken, die Wachstumsfaktoren herauspumpen. Wir wissen genau, wo wir sie einsetzen wollen. Es gibt keine Geheimnisse.«

48 Patienten nehmen an den Versuchen teil, die bis Anfang 2016 dauern werden. 36 von ihnen werden mit NurOwn behandelt, indem ihnen die Zellen per Spritze verabreicht werden. Zwölf Erkrankten wird ein Placebo gegeben. »Jede dieser drei Kliniken wird von einer Koryphäe im Bereich ALS geleitet«, betont Fiorino.

Während bei dieser Studie ALS im Fokus steht, könnten die Zellen auch bei anderen Erkrankungen eingesetzt werden, bei denen Neuronen absterben, etwa bei Parkinson oder Multipler Sklerose.

Zusammenarbeit Die ersten klinischen Versuche fanden in Israel statt. 24 Patienten wurden am Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem mit den neuen Zellen behandelt. Sie alle befanden sich unter der Aufsicht von Dimitrios Karussis, dem Leiter des Multiple-Sklerose-Zentrums und einem Pionier bei der Transplantation von Stammzellen. Der Arzt sagte, man arbeite noch an der Auswertung, es sei aber bereits ein positiver Effekt zu sehen. Einige Symptome hätten eine 60-prozentige Verringerung gezeigt.

Fiorino ist stolz auf NurOwn: »Unsere Forschung ist hochgradig innovativ und ein Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen akademischen Einrichtungen und biomedizinischen Unternehmen in Israel.«

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  11.12.2025

Israel

Ausstellung zu Bachs Klaviermusik in Jerusalem

Das Bachhaus Eisenach zeigt in Israel Dokumente zur frühen Verbreitung von Johann Sebastian Bachs Musik in Europa. Die Ausstellung begleitet das »12. Piano Festival« im Jerusalem Theatre

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Fotografie

Über die Würde des Unangepassten

Der Berliner Gropius Bau widmet Diane Arbus eine umfangreiche Retrospektive

von Bettina Piper  11.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 11.12.2025

Reykjavik

Auch Island boykottiert jetzt den ESC

Der isländische Rundfunksenders RÚV hat beschlossen, sich Spanien, Irland, Slowenien und der Niederlande anzuschließen

 11.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025