Wenn Ruth Arnon gefragt wird, woher ihre Liebe zur Wissenschaft kommt, erzählt die Professorin für Biochemie gern von ihrem Vater. Alexander Rosenberg war 1898 in Brest-Litovsk geboren worden, 1904 emigrierte die ganze Familie von Weißrussland nach Israel. Nachdem er im Ersten Weltkrieg in der berühmten Jewish Legion gedient hatte, studierte er kurze Zeit in Wien. 1922 heiratete er Sarah Perlman.
Das Paar verband die gemeinsame Liebe zu Bildung, Lernen und Wissenschaft; Sarah war eine der ersten Absolventinnen des Lewinsky-Lehrer-Seminars in Tel Aviv. Als Alexander 1929 die Möglichkeit bekam, in Toulouse Elektrotechnik und Mathematik zu studieren, nahm er seine Frau und die beiden Kinder Nehama und Avner mit nach Frankreich. Seine Studien beendete er erfolgreich innerhalb von rekordverdächtigen drei Jahren, Tochter Ruth kam am 1. Juni 1933 in Tel Aviv zur Welt, wohin die Rosenbergs inzwischen zurückgekehrt waren.
Die Kleine profitierte bereits früh vom familiären Wissensdurst. Als Ruth noch in den Kindergarten ging, brachten ihr die älteren Geschwister Lesen und Rechnen bei, mit dem Erfolg, dass das Mädchen bei der Einschulung gleich in die zweite Klasse geschickt wurde. Arnon sollte eine Schnell-Lernerin bleiben: Mit 13 überredete ihre Mutter den Direktor des Gymnasiums in Herzliyah, das Kind aufzunehmen.
Ein einziges Mal sollte es sich als nachteilig erweisen, eine Überfliegerin zu sein: Eigentlich wollte Ruth Arnon nach ihrem Schulabschluss zusammen mit den Klassenkameraden einer Nahal-Gruppe beitreten. Dafür war sie allerdings zu jung, so dass sie sich zunächst für das akademische Studienprogramm der IDF einschrieb.
pure freude Arnon begann, Chemie an der Hebräischen Universität Jerusalem zu studieren. 1955, nachdem sie ihren Master of Science gemacht hatte, absolvierte sie ihren Militärdienst. Und heiratete den Chemiestudenten Uriel Arnon. Die Kinder Michal und Yoram wurden 1957 und 1961 geboren.
Nur Hausfrau und Mutter zu sein, kam der Wissenschaftlerin allerdings nicht in den Sinn. 1957 begann sie als Doktorandin am Weizmann-Institut. »Immunologie«, erinnerte sie sich in einem Gespräch, sei »damals noch weitgehend unbekannt gewesen.« Zu Michael Sela, ihrem Doktorvater, entwickelte sich rasch eine enge berufliche Beziehung, die beiden machten gemeinsam eine Entdeckung, die zahllosen an Multipler Sklerose Erkrankten zugute kam: das erste synthetische Antigen. Dreißig Jahre später wurde auf Grundlage dieser Forschung das Medikament Copaxone entwickelt, das MS-Patienten ein nahezu normales und weitgehend beschwerdefreies Leben erlaubt – einer der größten Erfolge der israelischen Pharmaindustrie.
Es sei »pure Freude« für sie und ihre Kollegen Sela und Dvora Teitelbaum gewesen, zu sehen, wie aus ihrer Forschung ein Produkt wurde, das »das Leid von so vielen Menschen lindern« könne, sagte Ruth Arnon über das neue Medikament. »Ich hatte die Verzweiflung vor allem junger Erkrankter erlebt. Ihnen nun helfen zu können, bringt riesengroße Zufriedenheit.« Forschung sei reine Wissenschaft und nicht produktorientiert, »aber aus guter, sorgfältiger Forschung entstehen gute Produkte«.
Start-up Wenn es nach Arnon geht, wird es nicht bei diesem einen Meilenstein bleiben: Die Wissenschaftlerin erforschte auch einen synthetischen Grippe-Impfstoff, der für mehrere Jahre immun gegen verschiedene Influenza-Viren machen soll. Auf der Basis von Arnons Entdeckungen könnte eines Tages auch ein Stoff entwickelt werden, der bewirkt, dass Krebstumore sich zurückbilden. 2003 wurde in Israel ein Start-up namens Biondvax gegründet, das in Lizenz die Forschungsergebnisse des Weizmann-Instituts nutzt, um darauf basierende Medikamente zur Marktreife zu entwickeln.
Angesichts dieser Erfolge ist es folgerichtig, dass Arnon, die Staatspräsident Shimon Peres in wissenschaftlichen Fragen berät, im vergangenen Jahr zur Präsidentin der israelischen Akademie der Natur- und Geisteswissenschaften gewählt wurde. Der 1959 von Martin Buber gegründeten Akademie gehören die 100 führenden Wissenschaftler des Landes an. Ruth Arnon kündigte an, dass sie die Verbindungen zu ähnlichen Institutionen in anderen Ländern während ihrer Amtszeit stärken will.