Sehen!

Fluxus in Köln

Blick in die Ausstellung im Museum Ludwig Foto: Rheinisches Bildarchiv/Marc Weber © The Estate of Benjamin Patterson

Gerade anderthalb Jahrzehnte nach dem Nationalsozialismus stellte eine noch junge Avantgarde die Bundesrepublik künstlerisch auf den Kopf: Fluxus. Ein in jeder Hinsicht unwahrscheinliches Zusammentreffen von Musik und Kunst, Performance und Alltag. Köln war eine jener Fluxus-Hochburgen. Neben dem damals ausgesprochen experimentierfreudigen WDR mit seinem »Studio für elektronische Musik« wurde auch das Atelier von Mary Bauermeister zum wichtigen Treffpunkt.

1960 begegneten sich hier zwei Künstler, die biografisch herausstachen aus dem nachkriegsdeutschen, wenngleich recht internationalen Fluxus-Kosmos: der afro­amerikanische Musiker Ben Patterson aus Pittsburgh, der seine Erfahrungen mit Rassismus später als einen der wichtigsten Gründe für den Wunsch, Künstler zu werden, nennen sollte, und die jüdische Künstlerin Ursula Burghardt, die 1936 mit ihren Eltern und ihrer Schwester aus Halle an der Saale nach Buenos Aires geflohen war.

In Südamerika war sie schon eine etablierte Künstlerin, als sie 1957 mit ihrem Mann nach Köln zog. Hier veränderte sich ihre Arbeit drastisch. Nachvollziehbar ist das jetzt im Museum Ludwig, das mit FLUXUS & darüber hinaus erstmalig Burghardts und Pattersons Kunst zusammenbringt. Ohne dass die Eigensinnigkeit der jeweiligen Werke hier nachträglich einer gemeinsamen Narration untergeordnet würde.

Die Eigensinnigkeit der jeweiligen Werke wird nicht nachträglich einer gemeinsamen Narration untergeordnet.

Beide waren feine Beobachter ihrer Zeit – nicht nur ihrer Vorstellungen, sondern auch der Materialien und Produkte, die sie hervorbrachte (nebenbei, eine schönere Wagner-Veralberung als Ben Pattersons Videoarbeit über den deutschen Komponisten hatte man bis dato wohl auch nicht gesehen). Unbekannter dürfte heute Ursula Burghardt sein, deren »Reitstiefel« die Ausstellungsplakate im Stadtgebiet zieren. Eine ganze Kollektion an Gegenständen hatte die Künstlerin ihrerzeit aus Aluminiumblech gefertigt, das einen kränklichen Schein auf die entfremdeten Alltagsobjekte wirft.

Im Museum Ludwig lässt sich jenes Konvolut neben weiteren Arbeiten wiederentdecken, die Burghardts speziellen Sinn für Material und Form bezeugen: der Fleischwolf aus Stoff, die Malereien aufrecht stehender Papierschnipsel oder die Bilder aus Badewannenstöpsel und Blechwanne, die geradezu als ästhetischer Vorgriff auf spätere Künstlerinnen wie Cady Noland oder Rosemarie Trockel erscheinen.

Bis 9. Februar 2025 im Museum Ludwig in Köln

Sehen!

»Die Passagierin«

Am Deutschen Nationaltheater in Weimar ist eine der intelligentesten Nachinszenierungen von Mieczyslaw Weinbergs Oper zu sehen

von Joachim Lange  21.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  20.04.2025

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025