»Früher haben wir unsere Ausrüstung noch im nächsten Spielwarengeschäft gekauft«, erinnert sich Chaim Esched voller Nostalgie. Damals, Ende der 60er-Jahre, herrschte ein zermürbender Stellungskrieg am Suezkanal, und Israel brauchte dringend Informationen über die ägyptischen Truppenbewegungen. »Man besorgte sich einfach ein paar ferngesteuerte Modellflugzeuge und befestigte an ihnen Kameras mit Klebeband«, so der ehemalige Chef der Abteilung für Raumfahrt des israelischen Verteidigungsministeriums.
»Diese flogen dann über die feindlichen Stellungen, und wir verfolgten ihren Weg mithilfe von Ferngläsern. Verschwanden die kleinen Flieger jedoch aus unserem Sichtfeld, was nicht selten geschah, gingen sie verloren.« Aus der Not geboren wurde der jüdische Staat so zum Pionier in Sachen »Unmanned Aerial Vehicles« (UAVs).
überlegen Lowtech war gestern, heute verfügt Zahal über eine ganze Palette unbemannter Hightech-Fluggeräte in jeglicher Größe: Erst im Februar 2010 lieferte Israel Aircraft Industries (IAI) die vierte Generation ihrer Flaggschiffdrohne vom Typ »Heron« aus. Mit einer Spannweite von 26 Metern hat dieses »fliegende Auge« die Dimensionen einer Boeing 737 und kann fünf Tonnen Ausrüstung in einer Höhe von 13 Kilometern bis zu 36 Stunden in der Luft bewegen. Über die Reichweite gibt es nur Gerüchte. Es sollen mindestens sieben Kilometer sein.
Wie effizient und tödlich die »Heron« sein kann, bewies bereits das Vorgängermodell im Januar 2009. Im fernen Sudan ortete die Drohne einen Lastwagenkonvoi mit iranischen Waffen, der nach Gaza unterwegs war, und zerstörte ihn erfolgreich.
Natürlich geht es auch einige Nummern kleiner. Mit dem »Ghost« hat IAI ein nur vier Kilogramm leichtes Gerät im Angebot, das von zwei Elektromotoren angetrieben wird und nicht nur aussieht wie eine Mini-Kopie des Chinook-Helikopters, sondern auch genau wie einer fliegt. Und auf der jüngsten Konferenz der Association for Unmanned Vehicle Systems International (AUVSI), die vor wenigen Wochen erstmals in Israel und nicht in den USA stattfand, präsentierte der Konzern den Prototyp seines »Butterfly«, einer Minidrohne, die völlig geräuschlos beispielsweise durch Fenster fliegen und so Gebäude ausspionieren kann.
Vorteil »›Ghost‹ und seine noch kleineren Geräte sind sehr einfach zu bedienen und können schnell überall zum Einsatz gebracht werden«, erklärt Dan Bichmann, ein früherer Hubschrauberpilot und nun zuständig für das Marketing von UAVs bei IAI. »Ihr großer Vorteil besteht darin, beispielsweise Bilder darüber liefern zu können, was sich hinter einem Haus oder einer Hecke verbirgt. Das schützt vor unliebsamen Überraschungen.«
Gerade bei militärischen Operationen in Städten sind solche Informationen unverzichtbar. Denn das ist der große Vorteil von Drohnen: Das Leben der eigenen Soldaten wird bei Einsätzen nicht riskiert, und die Fähigkeit, punktgenau zuschlagen zu können, reduziert die Zahl möglicher ziviler Opfer. Doch »Ghost« und »Butterfly« sind nur die Vorboten einer ganz neuen Generation von UAVs, die in den Laboratorien von IAI entsteht.
Gebastelt wird bereits an Nano-Drohnen, die kaum noch für das menschliche Auge erkennbar sind, solar betriebenen Flugrobotern mit fast unbegrenzter Flugdauer und reinen Transportdrohnen. Produziert werden bereits seit Jahren auch sogenannte »Fliegende Handgranaten«, die Aufklärungsflüge mit Angriffskapazitäten verbinden und offensiv in das Kampfgeschehen eingreifen können.
erfolge Auf jeden Fall sind die Israelis gut im Geschäft, wenn es um militärische Drohnen geht. Bis zu 25 Prozent ihres Umsatzes von über dreieinhalb Milliarden Dollar erwirtschaftet die IAI mittlerweile damit. Und die Nachfrage nach intelligenten und unbemannten Militärfluggerät steigt weiter rasant. Auf rund zehn Millionen Dollar wird das Weltmarktvolumen bis zum Ende des Jahrzehnts anwachsen, hieß es auf der AUVSI-Konferenz.
»Doch wenn die USA und Europa ihren Luftraum auch für Drohnen öffnen, dann liegt die Zukunft der Industrie eindeutig im zivilen Bereich«, so AUVSI-Kommunikationschef Brett Davis. »In den Bereichen Küstenwache, Grenzkontrollen und Gütertransport gibt es schon erste Anzeichen dafür«, bestätigt Bichmann.
Die passende Technik ist bereits vorhanden. So entwickelte das israelische Unternehmen Sky Sapience den »HoverMast«, eine einfach zu bedienende fliegende Plattform mit fünf Propellern als Antrieb. »Das Gerät ist wie geschaffen für die Überwachung beispielsweise des amerikanisch-mexikanischen Grenzgebietes«, schwärmt Sky-Sapience-CEO Gabriel Schachor.
Aber die Drohnen eignen sich auch für den Einsatz in Katastrophengebieten, bei der Versorgung von abgeschnittenen Dörfern oder der Analyse von Vulkanaschewolken. Und jüngst verkündete Frederick Smith, Chef des Logistikgiganten FedEx, dass es für ihn nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die ersten Pakete via Flugroboter an ihre Adressaten gelangen. Die Enge der Ballungsräume mache diese Entwicklung quasi zwangsläufig, da nur noch in der Luft Platz sei. Die Chancen, dass der fliegende Paketbote der Zukunft dann made in Israel ist, stehen dabei nicht schlecht.