Documenta

Findungskommission, die zweite

Wird bei der documenta 16 alles besser? Foto: picture alliance/dpa

»12. Juni – 19. September 2027«: Dieser Termin ist auf der Website der documenta 16 zu finden. In weniger als drei Jahren soll also die nächste Ausgabe der Kasseler »Weltkunstausstellung« beginnen, die gemeinhin auch als »Museum für 100 Tage« bezeichnet wird. Die verbleibende Zeit ist knapp, wenn man bedenkt, dass noch keine Künstlerische Leitung berufen wurde, die das Ausstellungsformat nach den Israelhass- und Antisemitismusskandalen der »documenta fifteen« wieder in ruhigere Gewässer lenken könnte.

Am Mittwoch vergangener Woche präsentierte der documenta-Ausrichter, die von der Stadt Kassel und dem Land Hessen getragene »documenta und Museum Fridericianum gGmbH«, die nunmehr zweite Findungskommission. Sie soll einen Chefkurator für die documenta 16 auswählen. Im November 2023 war die ursprüngliche Kommission komplett zurückgetreten, nachdem zunächst der indische Schriftsteller und Kurator Ranjit Hoskoté sowie die israelische Künstlerin Bracha Lichtenberg Ettinger ihre Ämter niedergelegt hatten. Der Arbeitsprozess der Findungskommission sei unter dem Eindruck der Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023, dem zunehmenden Judenhass in Deutschland und den polarisierten Debatten darum stark unter Druck geraten, teilte die documenta damals mit.

Nun soll es im zweiten Anlauf klappen. Der Geschäftsführer der documenta, Andreas Hoffmann, lobt die »multiperspektivische fachliche Zusammensetzung« der neuen, sechsköpfigen Findungskommission. Und tatsächlich illustriert das Personaltableau die sichtlichen Bemühungen des documenta-Aufsichtsrats (dem nach einer Vakanzphase auch wieder Vertreter des Bundes angehören), Kuratoren aus möglichst vielen Kulturräumen einzubeziehen.

Sergio Edelsztein soll offenbar für einen israelischen Blickwinkel sorgen

So könnte Yilmaz Dziewior, Direktor des Kölner Museums Ludwig, sein Gespür für die Eigenheiten des deutschen Kunst- und Kulturbetriebs und der hiesigen Diskurslandschaft einbringen. Schließlich stoßen die deutsche Erinnerungskultur und das besondere Verhältnis zu Israel international auf immer weniger Verständnis. Sergio Edelsztein, ehemaliger Direktor des Center for Contemporary Art in Tel Aviv, soll offenbar für einen »antisemitismuskritischen« Akzent und einen israelischen Blickwinkel sorgen.

Die in Senegal geborene Pariser Kuratorin und Kulturpolitikexpertin NʼGoné Fall kann wiederum mit Kenntnissen zeitgenössischer afrikanischer Kunst und postkolonialer Diskurse aufwarten. Die aus Puerto Rico stammende US-amerikanische Kuratorin Yasmil Raymond leitete bis vor Kurzem die Kunsthalle Portikus und die Städelschule in Frankfurt am Main. Nach ihrem Rücktritt im vergangenen Frühjahr hieß es in einem Medienbericht, Raymond habe sich geweigert, eine studentische Gaza-Solidaritätsbekundung im Namen ihrer Kunsthochschule mitzutragen.

Auffällig ist die Abwesenheit eines Kurators aus dem arabischsprachigen Raum

Vervollständigt wird die Kommission von der thailändischen Kuratorin Gridthiya Gaweewong und der japanischen Museumsdirektorin Mami Kataoka. Auffällig ist die Abwesenheit eines Kurators aus dem arabischsprachigen Raum.

Wie geht es nun weiter? Die Findungskommission soll laut documenta-Pressemitteilung »wegweisende Persönlichkeiten der zeitgenössischen Kunst« einladen, »sich mit einem Konzept um die Künstlerische Leitung der documenta 16 in Kassel zu bewerben«. Die dann ausgewählte Person soll ihr künstlerisches Konzept in einer öffentlichen Veranstaltung vorstellen.

»Hier soll sie darlegen, wie sie die Achtung der Menschenwürde unter Wahrung der grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit auf der von ihr kuratierten Ausstellung gewährleisten will«, sagte Hessens Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels, (SPD) unlängst der FAZ. Ob die documenta 16 dann wie angekündigt am 12. Juni 2027 ihre Türen öffnen kann, steht indes in den Sternen. In einem Interview in der »Frankfurter Rundschau« kommentierte Gremmels den documenta-Zeitplan vielsagend: »Das ist ambitioniert, aber ich habe immer gesagt, dass 2027 auch kein Dogma ist.«

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