Eurovision Song Contest

Fighterin für Malmö

Ihr Vater habe ihr beigebracht, mit beiden Beinen im Leben zu stehen, sagt Tali. Nun steht sie am 11. Mai auch auf der großen Bühne des ESC. Foto: Daniele Reuter

Der Name Tali Golergant wurde in Luxemburg über Nacht bekannt. Denn die in Israel geborene luxemburgische Sängerin wird das Großherzogtum nach 31-jähriger Abwesenheit beim Eurovision Song Contest (ESC) vertreten.

Ihr Beitrag »Fighter«, ein Ethno-Popsong von Dardust, Manon Romiti, Ana Zimmer und Silvio Lisbonne erhielt Ende Januar beim »Luxemburg Song Contest« die meisten Stimmen der Fachjury aus acht Ländern. »Fighter« ist nicht nur eine klangvolle Hymne, sondern auch ein Spiegelbild von Tali Golergants vielseitiger musikalischer Reise und kultureller Identität. Und diese klangvolle Vielfalt bringt sie nun Anfang Mai mit nach Malmö.

Wer ist Tali Golergant?

Wer ist Tali Golergant? Die 23-jährige Sängerin, Songwriterin und Schauspielerin wurde als Tochter eines peruanisch-jüdischen Vaters und einer israelischen Mutter in Jerusalem geboren. Sie wuchs unter anderem in Chile und Argentinien auf. »Jeder Ort hat mir etwas Besonderes gegeben«, sagt sie, und Argentinien habe für sie einen ganz besonderen Platz in ihrem Herzen: »Obwohl ich mit zehn Jahren wegging, erinnere ich mich daran, dass es ein so schöner und lustiger Teil meines Lebens war.«

Über das Land, das sie beim ESC vertreten wird, sagt Tali: »Im Gegensatz zu den anderen Orten, wo ich gelebt habe, ist Luxemburg für mich wirklich zu einem Zuhause geworden. Meine engsten Freunde aus der Schulzeit sind alle dort, und mein künstlerischer Weg hat sich dort abgespielt.«

Ein Star zu werden, das war schon früh ihr Traum: »Ich erinnere mich, dass ich mit meinem Großvater eine Aufführung von ›Mamma Mia!‹ gesehen habe, als ich noch sehr jung war. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich auf dieser Bühne sein und das auch machen wollte.«

Ihre Debüt-Single schrieb Tali Golergant schon mit 16 Jahren.

Bereits im Alter von sieben Jahren begann Tali, Klavier zu spielen, und entwickelte ihre künstlerische Ader weiter, indem sie mit zwölf Jahren mit dem Singen, Theaterspielen und dem Schreiben eigener Lieder begann. Nach ihrem Abschluss an der International School of Luxembourg zog es sie in die USA, wo sie am Marymount Manhattan College in New York City Musiktheater studierte und ihre künstlerische Reise in die Welt der Pop, Indie- und R&B-Musik begann. »New York hat mich und mein künstlerisches Leben sehr verändert«, sagt Tali.

Harte Schale

Dort habe sie gelernt, »eine harte Schale zu haben, mir Ablehnungen nicht zu Herzen zu nehmen und immer daran zu denken, dass man sich es selbst wert ist, egal, was andere sagen oder welche Ergebnisse man erzielt. Ohne Marymount und NYC wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.«

In ihrer Musik wurde Tali von Künstlerinnen wie Lizzy McAlpine, Sara Bareilles und Lady Gaga beeinflusst. Ihre Debüt-Single schrieb sie schon mit 16 Jahren. Als sie 19 war, wurde sie veröffentlicht. »Mein Bruder Noam war derjenige, der mich davon überzeugt hat, etwas damit zu machen«, erzählt Tali. »Ich erinnere mich, dass die Single in meinem ersten Jahr in New York herauskam und jeder in meinem Wohnheim bis Mitternacht aufblieb und ununterbrochen dazu tanzte. Das war unvergesslich.«

Tail spricht fließend Englisch, Hebräisch und Spanisch. Sie sagt dazu: »Ich schreibe hauptsächlich auf Englisch, weil es für mich am natürlichsten ist und kommerziell am besten funktioniert. Aber ich würde es absolut lieben, in Zukunft andere Sprachen in meinen Songwriting-Prozess einzubeziehen.« Ihr ESC-Lied »Fighter« besteht aus englischen und französischen Teilen.

Familie spielt eine bedeutende Rolle in Talis Leben, auch für ihr musikalisches Talent: »Wir spielen alle ein Instrument, und es war ein wichtiger Teil meiner Erziehung.« Ihre Eltern hätten sie immer in ihrem Streben nach einer musikalischen Karriere unterstützt. Aber »das Wichtigste, was mein Vater mir beigebracht hat, ist, mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen«.

Jüdische Erziehung

Zu Tali Golergant Lebensgeschichte gehört auch ihre jüdische Erziehung. »Ich bin jüdisch erzogen worden, aber es wurde mir nie aufgezwungen, was ich sehr schätze und was mein Interesse daran sogar noch verstärkt hat.« Sie sei »generell ein sehr spiritueller Mensch« und liebe es, »die Beziehung zwischen Spiritualität und Judentum in meinem Leben zu finden. Ich würde sagen, dass ich eher kulturell jüdisch bin«.

Sie schätzte die familiären jüdischen Traditionen und Feierlichkeiten. Sie sind für Tali »ein so schöner Teil meiner Erziehung und meines Lebens. Es ist einfach eine Gelegenheit, zusammenzukommen und zu reflektieren oder durch Essen, Musik und Gebete zu feiern«.

Rund 1000 schwedische Künstler fordern, Israel wegen des Gaza-Kriegs auszuschließen.

Die Teilnahme am Eurovision Song Contest 2024 ist zweifellos ein Höhepunkt in Talis Karriere, und all das wirkt auf sie bis jetzt noch sehr surreal. »Ich war fassungslos. Ich bin es immer noch. Ich glaube, ich werde nicht verstehen, wie massiv das ist, bis ich diesen Bühnenboden betrete. Ich fühle mich einfach so geehrt.«

Der ESC soll, wenn es nach ihr geht, erst der Anfang sein: »Karrieremäßig möchte ich mit meiner Originalmusik auf Tournee gehen, weiterhin in Musicals auf einem professionellen Niveau mitwirken und auch Filme drehen.«

Wassermelonen-Emojis

Nach der Verkündigung ihres Sieges in Luxemburg wurde Talis israelische Herkunft leider wie so häufig kontextlos in den sozialen Medien kommentiert: mit Wassermelonen-Emojis, die eigentlich für die Zensur der palästinensischen Fahne stehen. Aber auch mit dem Vorwurf, ihre Familie würde einen angeblichen Genozid in Gaza unterstützen.

Zuletzt hatten auch mehr als 1000 schwedische Künstlerinnen und Künstler die Europäische Rundfunkunion dazu aufgerufen, Israel wegen des Gaza-Kriegs vom Eurovision Song Contest auszuschließen – zum Glück vergeblich. Man kann nur hoffen, dass Schweden dem Israel-Hass weiter Einhalt bietet und Tali Golergant in Malmö mit offenen Armen empfangen wird.

Denn mit ihrem multikulturellen Hintergrund repräsentiert sie nicht nur Luxemburg, sondern eine klangvolle Verschmelzung von vielen Welten. Ganz im Geist der Vielfalt eines Eurovision Song Contest. Und ihr Lied »Fighter« könnte dahingehend eine Hymne der Vielfalt werden.

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 2. Januar

 23.12.2024

documenta

Retterin aus den USA?

Naomi Beckwith übernimmt die Künstlerische Leitung der Kasseler Schau, die für 2027 geplant ist

von Eugen El  23.12.2024

Kino

Neue Chefin, neues Festival? Das bringt die Berlinale 2025

Tricia Tuttle übernimmt die Leitung des Filmfests, das vergangenes Jahr von einem Antisemitismus-Skandal überschattet wurde

 23.12.2024

Theater

Wenn Schicksale sich reimen

Yael Ronens »Replay« erzählt die Geschichte einer DDR-Familie in Zyklen

von Leonie Ettinger  22.12.2024

Gute Vorsätze

100 Prozent Planerfüllung

Warum unsere Redakteurin 2025 pünktlicher sein will als die Deutsche Bahn

von Katrin Richter  22.12.2024

Meinung

Eine Replik von Eva Menasse auf Lorenz S. Beckhardts Text »Der PEN Berlin und die Feinde Israels«

von Eva Menasse  21.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Kino

Film-Drama um Freud und den Lieben Gott

»Freud - Jenseits des Glaubens« ist ein kammerspielartiges Dialogdrama über eine Begegnung zwischen Sigmund Freud und dem Schriftsteller C.S. Lewis kurz vor dem Tod des berühmten Psychoanalytikers

von Christian Horn  19.12.2024

TV-Tipp

»Oliver Twist«: Herausragende Dickens-Verfilmung von Roman Polanski

Sittengemälde als düstere Bestandsaufnahme über die geschilderte Zeitperiode hinaus

von Jan Lehr  19.12.2024