Ob im deutsch- und englischsprachigen Raum oder in Israel – das ostjiddische Lehnwort schmáte (f.), hergeleitet vom polnischen szmata (für »Lumpen, Stoff-Fetzen«, auch »Inflationsgeld«), ist von ungewöhnlicher semantischer Vielfalt.
Helmut Qualtingers Kabarett-Aufnahmen (2006) enthielten die von Gerhard Bronner und Peter Wehle witzig betextete »Schmattesoper«; jüngst begeisterte Stella Jürgensens Musiktheaterrevue »Schmattes, Schlager & Schongsongs« mit jiddischen Balladen und Schlagern jüdischer Komponisten der 20er- und 30er-Jahre; 2009 betitelte der »Münchner Merkur« seinen Beitrag zu Trinkgeldbräuchen im Ausland mit: »Schmattes, Bakschisch oder Tip«. Auch R. Sedlaczeks Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs (2012) führt für dankbare Zahlungen an den Kellner den Wiener Schmattes auf.
Philip Roth Für Rostens Jiddisch-Enzyklopädie (2002) steht das Lexem generell für »wertloses Zeug«, etwa für das Revolverblatt oder die Schundliteratur, wenn es auf Publikationen von mieser Qualität abzielt. So beschrieb das Ktav Publishing House in Brooklyn 1969 Philip Roths Roman Portnoy’s Complaint – unter anderem wegen der klischeehaften Darstellung amerikanischer Juden – als »shmatte«.
Auch das Yinglish, das mit Jiddisch-Elementen angereicherte britische English, kennt shmatte für »Putzlappen/Lumpen«, pejorativ als »Fummel« für Frauenkleider: »That fancy dress she spent half her husband’s money on just looked like a shmatte to me.« Den jüdischen Textilhandel ironisiert es als »shmatte trade«, die Verkäufer als »shmatte mishpocha«, Bezirke mit Kleidergeschäften als »shmatte districts«.
J. und V. Traig ergötzten jüdische Leser der USA mit dem Werk Judaikitsch: Tchotchkes, Schmattes, and Nosherei (2002). Das Jiddische der USA, das Ameriddish, verzeichnet shmatte für »Plunder«, »Stofffetzen« oder »abgetragene Klamotten« – so bei J. Eisenberg und E. Scolnic im Dictionary of Jewish Words (2006): »We’re going out to dinner, so change out of that shmatte.« Übertragen benennt das Wort einen schwachen Menschen oder die Person, mit der jemand eine Affäre hat: »You’re nothing; you’re just his schmatah!«
schmattinée Das Verb sich schmatten/schmadden hörte man bei Zwangstaufen von Juden, wozu W. Weinberg in Die Reste des Jüdischdeutschen (1973) bemerkt: »Ein Empfang zu Ehren eines neugetauften erwachsenen Juden wurde scherzhaft schmattinée benannt.« A. Tendlaus Jüdische Sprichwörter und Redensarten (1988) halten für jedweden Glaubensabfall Sprüche bereit wie »Dem guckt die Schmad zum Ponim heraus« (»Auf seinem Gesichte liegt die Abtrünnigkeit vom Judentum«) oder – bei einem Rabbinatskandidaten, »der sich Neuerungen erlaubt oder sich zu denselben hinneigt« – »Wo der Rav wird,
schmad’t sich die Kille!« (»Wo der Rabbiner wird, tauft sich die Gemeinde!«).
Erwähnt wird auch der Sinn, den schmadden »im Munde des Volkes mit der Zeit annahm: jemanden durch Geschenke auf seine Seite bringen, verführen, bestechen – »Wodurch hastu’n geschmad’t?«
Schmatte kennt man sogar als Lehnwort im gesprochenen Hebräisch. Hillel Halkin wies (als »Philologos«) im Juli 2017 in der Zeitschrift »Mosaic« auf die in Israel geläufigen Kombinationen von shmatte mit dem französischen de la (= dt. »von«) in Bildungen wie orekh-din de la shmatte (»unfähiger Anwalt«), krem de la shmatte (»pompös aufgemachte, nutzlose Gesichtscrème«) und don juan de la shmatte (»Westentaschen-Casanova«).