Gibt es eine vernünftige Alternative zur Hoffnung? Wahrscheinlich nicht. Und obwohl uns dieses Wort so leicht wie unverbindlich über die Lippen kommt: Sie, die Hoffnung, bleibt existenziell.
Der amerikanische Erfolgsautor Neal Shusterman (Träger des Deutschen Jugendliteraturpreises) und der amerikanische Comiczeichner Andrés Vera Martínez kündigen ihre Graphic Novel Fenster in der Nacht als eine Sammlung von »Geschichten über den Holocaust« an, die »Hoffnung« machten. Das irritiert. Auch, dass in dem Band »reale Beispiele für Widerstand und Rettung« mit »Fantasy verwebt« würden, weckt Zweifel.
Das Experiment von Shusterman und Martínez gelingt.
Andererseits macht ja gerade das die Hoffnung aus, dass sie Realitäten wie Wahrscheinlichkeiten für einen (magischen) Augenblick lang zur Seite schieben kann – übrigens eine Fähigkeit, die auch Superhelden des Marvel-Universums, an dem sich Martínez durchaus orientierte, auszeichnet (so versetzte »Captain America« 1941 auf der Titelseite der gleichnamigen US-Comicreihe Hitler einen spektakulären Kinnhaken). Das Experiment von Shusterman und Martínez gelingt, weil es sich nicht wirklich von der Realität entfernt, es die Rettungen, die es ja gab – allesamt auf ihre Art Wunder, Ausnahmen, Heldentaten –, zum Glänzen bringt, den Vorgang sozusagen »verzaubert«.
In fünf Abschnitten (von Alef bis Heh), fünf losen, aufeinander bezogenen Geschichten, die sich verdichtet an tatsächlichen Ereignissen orientieren und die von kurzen Sachkapiteln voneinander getrennt sind, bekommen Retter und Retterinnen ihren Auftritt.
Drei jüdische Mädchen, versteckt in einer Berliner Wohnung, können mithilfe mutiger Menschen und eines magischen Fensters überleben. Golem rettet einige Gefangene in Auschwitz-Birkenau. Die Hexe Baba Jaga, begleitet von Wesen aus jüdischen Sagen und Geschichten, unterstützt in den tiefen Wäldern Widerstandskämpfer und Juden, die sich dort versteckt halten. In »ExØdus« schafft es der dänische Junge Jory mithilfe einer Vorhangstange, deutsche SS-Männer, die die Flucht der dänischen Juden auf Booten über den Öresund verhindern wollen, in Schach zu halten. Das letzte Kapitel spielt in der amerikanischen Gegenwart. Ein Mädchen, dem die Großmutter eine Zaubermuschel vermacht hat, bekommt die Möglichkeit, die Verwandten, die es nie hatte, kennenzulernen. Wenigstens für eine kurze Zeit.
Neal Shusterman: »Fenster in der Nacht. Geschichten der Hoffnung«. Farbig illustriert von Andrés Vera Martínez. Übersetzt von Alexandra Ernst. Ab zwölf Jahren. Loewe, Bindlach 2024, 256 S., 16,99 €