EILMELDUNG! Internationaler Strafgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu

Film

Feministischer Fight Club

Von Außenseiterinnen, die sich nichts gefallen lassen, handelt Emma Seligmans neuer Film. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Man kennt sie zur Genüge: diese Highschool-Komödien à la American Pie, in denen testosterongeladene Jungs Peniswitze machen, sich bei wilden Hauspartys betrinken, um dann endlich die Angehimmelte für den ersten Sex zu gewinnen. Klingt vielleicht überspitzter, als es sich tatsächlich gestaltet. Aber wenn auch nicht alle Filme so prototypisch daherkommen, wird doch ein Großteil des Genres aus männlich pubertierender Perspektive erzählt.

In der hormonellen Highschool-Film-Kinematografie markiert Emma Seligman mit ihrem zweiten Film Bottoms ein eigenes Terrain. Hier sind es nicht die angehenden Männer, die Quatsch verzapfen, sondern zwei jungfräuliche Lesben auf Frauenfang.

Der Film ist ein herrlich anarchischer Spaß, der alle Parameter des Genres bedient und zugleich dekonstruiert. Nach seiner Premiere beim South by South­west Filmfestival feierten nicht wenige amerikanische Medien den Film als einen der lustigsten des Jahres. Umso ärgerlicher, dass Bottoms nicht in den deutschen Kinos startet, sondern im Portfolio von Amazon Prime zu versinken droht.

Der Film handelt von den Freundinnen PJ, gespielt von Koautorin Rachel Sennott, und Josie (Ayo Edebiri aus der Erfolgsserie The Bear). Die beiden sind die Außenseiterinnen der Schule, ihre Spindtüren werden täglich mit queerfeindlichen Sprüchen beschmiert. Sie seien »lesbisch, hässlich und talentlos«, heißt es einmal.

Was hilft gegen die Tatenlosigkeit? Na klar: einen feministischen Fight Club gründen, um die angehimmelten Hazel (Ruby Cruz) und Isabel (Havana Rose Liu) ins Bett zu kriegen. Dass in der Schule das Gerücht umgeht, PJ und Josie hätten den Sommer in der Jugendstrafanstalt verbracht und dort ordentlich ausgeteilt – Empowerment! –, ist die perfekte Lüge zur Legitimation des Selbstverteidigungsklubs.

Die 1995 in Toronto geborene Regisseurin, die in einer aschkenasischen Gemeinde des Reformjudentums aufwuchs, erzählte schon in Shiva Baby (2020) von Queerness. In ihrem gefeierten Debüt kreischten und quietschten zwischendurch Geigenklänge und vertonten zwischenmenschliche Dissonanzen bei der Schiwa, der traditionellen Trauerwoche, bei der die Werte des Judentums und der Familie auf die bisexuelle Freizügigkeit der ebenfalls von Rachel Sennott gespielten Heldin trafen.

»Bottoms« ist ein überdrehter filmischer Wink mit dem Zaunpfahl

Im Gegensatz zu dem komödiantischen Echtzeit-Familiencrash mit seinen feinen Beobachtungen ist Bottoms ein überdrehter filmischer Wink mit dem Zaunpfahl. Angeleitet von den beiden Freundinnen, deren Ruf in der Schule sich schnell bessert, schlagen die Mitglieder des Selbstverteidigungsklubs sich die Köpfe ein und die Nasen blutig – David Finchers Filmklassiker wird hier herrlich durch den Kakao gezogen. Die Rivalität mit den pseudomaskulinen Footballspielern, die den ganzen Tag breitschultrig in voller Spielmontur durch die Highschool marschieren, ist vorprogrammiert, weil Isabel mit deren Kapitän, dem notorischen Fremdgeher Jeff (Nicholas Galitzine), zusammen ist.

Narrativ vernünftig oder wirklich plausibel ist hier wenig, und das soll so sein. Im Laufe des Films explodieren Bomben, und beim Showdown, einer brutalen Massenschlägerei auf dem Footballplatz gegen den mordenden Nachbarsverein, ist Ananassaft die Tatwaffe. Seligman geht mit ihrem Film auf den Boden des Highschool-Films und ist sich für keinen Witz und keine irre Idee zu schade.

In einem Interview mit »Boston Jewish Film« beschrieb die Regisseurin ihren Film als kampflustige queere Highschool-Komödie. Begleitetet von einem schillernden Soundtrack zwischen Avril Lavignes »Complicated«, Bonnie Tylers »Total Eclipse of the Heart« oder »Party 4 U« von Charli XCX überwindet Bottoms identitätspolitische Diskurse. Dieser Film aktualisiert ein Genre mit einer Albernheit und Anarchie, wie man sie heute im Kino selten zu sehen bekommt.

Der Film ist beim Streamingdienst Amazon Prime Video zu sehen.

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Meinung

Maria und Jesus waren keine Palästinenser. Sie waren Juden

Gegen den Netflix-Spielfilm »Mary« läuft eine neue Boykottkampagne

von Jacques Abramowicz  20.11.2024

Berlin

Von Herzl bis heute

Drei Tage lang erkundet eine Tagung, wie der Zionismus entstand und was er für die jüdische Gemeinschaft weltweit bedeutet

 20.11.2024

Antisemitismus

»Verschobener Diskurs«

Nina Keller-Kemmerer über den Umgang der Justiz mit Judenhass und die Bundestagsresolution

von Ayala Goldmann  20.11.2024