»Fisch sucht Fahrrad« – so lautet das Motto einer beliebten Single-Partyreihe in Deutschland, auf der einsame Herzen älteren Semesters zusammenfinden können. Nun sind Fische auf Zweirädern aus vielerlei Gründen eine klare Fehlbesetzung und gehören deshalb eher ins Reich der Legenden. Schuppige Wasserbewohner, die Auto fahren können, scheint es unterdessen wirklich zu geben. Genauer gesagt: Goldfische, die ein motorisiertes Aquarium auf Rädern durch die Gegend bugsieren.
Das jedenfalls haben Verhaltensforscher der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva herausgefunden. Sie wollten wissen, ob Lebewesen in der Lage sein können, sich auch außerhalb ihres angestammten Biotops zurechtzufinden. Dafür konstruierten sie eigens ein »Fish Operated Vehicle« (FOV), das aus einem Fahrgestell mit vier Elektromotoren besteht, die jeweils ein Rad antreiben, auf das wiederum ein transparenter Plexiglas-Wassertank montiert wurde.
Ferner wurden zahlreiche Sensoren verbaut sowie ein simpler Einplatinencomputer zwecks Steuerung. In die Mitte des Beckens platzierte man einen Stab, auf dem eine Kamera montiert wurde. Sie sollte erfassen, wohin es den Goldfisch gerade zieht. Schwimmt er beispielsweise zu einer Außenwand, gibt sie die Information an die Motoren weiter, woraufhin das Gefährt sich in die gleiche Richtung in Bewegung setzt.
WEGE Nun erteilte man sechs Goldfischen quasi Fahrstunden. Zuerst wurden sie konditioniert, Wege innerhalb eines kleinen Raums zu finden. Gelang ihnen das, erhielten sie eine kleine Belohnung in Form von Futterpellets. In einem nächsten Schritt befestigten die Forscher eine solche Belohnung vis-à-vis des Wassertanks, irgendwo sichtbar an einer anderen Wand. Bald schon begriffen die Goldfische, dass sie das FOV den Fischpellets näher bringt, sobald sie in ihre Richtung schwimmen. Aber nicht nur das: Nach einigen Wochen Training lernten sie sogar, Hindernisse zu umfahren oder im Falle von mehreren Zieloptionen genau die richtige anzusteuern.
Ein ähnliches Experiment hatten Wissenschaftler der Universität Eindhoven schon 2014 gewagt.
»Tatsächlich waren die Goldfische in der Lage, die terrestrische Umgebung zu erkunden und dabei Sackgassen zu vermeiden und Ungenauigkeiten zu korrigieren«, schreibt Ronen Segev, einer der an dem Projekt beteiligten Verhaltensforscher, auf Twitter. Und manche von ihnen konnten das Vehikel nahezu perfekt fahren, andere bewegten es dagegen mit weniger Geschick, was beinahe menschlich klingt. Wichtig aber war vor allem eine Erkenntnis: »Die Versuchsreihe deutet auch darauf hin, dass die Navigationsfähigkeit universell und nicht spezifisch auf eine Umgebung ausgerichtet ist«, bringt es Shachar Givon, einer der Initiatoren der Studie, auf den Punkt.
FÄHIGKEITEN »Darüber hinaus zeigt sich, dass Goldfische die kognitiven Fähigkeiten besitzen, komplexe Tätigkeiten in einer Umgebung zu erlernen, die völlig anders ist als die, in der sie sich entwickelt haben. Jeder, der schon einmal versucht hat, Fahrrad- oder Autofahren zu lernen, weiß, dass dies am Anfang eine große Herausforderung sein kann.«
Ein ähnliches Experiment hatten Wissenschaftler der Universität Eindhoven schon 2014 gewagt. Auch sie konstruierten ein Gefährt, mit dem Fische auf große Fahrt gehen konnten. Nur war das alles nicht allzu ernst gemeint. »In einem Versuch, Fische auf der ganzen Welt zu befreien, wurde das erste selbstfahrende Auto für sie entwickelt«, hieß es dazu von den Studenten.
Ob nun Meeresbewohner an Land zwingend hilflos sind oder lernen können, sich auch dort zu orientieren, stand bei ihnen nicht auf der Agenda wie bei den Forschern in Israel. Deren Versuchsreihe war übrigens von dem internationalen »Human Frontier Science Program« gefördert worden. Es unterstützt besonders innovative und interdisziplinäre Grundlagenforschung, die sich auf Mechanismen lebender Organismen fokussiert. Der Name verrät bereits die Absicht: Man will Forschung an den »Grenzen der Wissenschaft« vorantreiben und komplexen biologischen Prozessen auf den Grund gehen. Und dazu gehören eben auch Fahrstunden für Fische.