Lesen!

»Exodus«

Gezeichnete Rettung Foto: PR

Katzen können Leben retten. Samtpfote Pitsy jedenfalls erweist der kleinen Ticka einen unschätzbaren Dienst. Als die Polizei in die Wohnung der Familie stürmt, auf der Jagd nach Juden, versteckt die Mutter ihre Tochter im Schrank. Doch das leise Weinen des Kindes macht die Eindringlinge misstrauisch; einer reißt die Türen des Möbelstücks auf: »Seine Stiefel waren direkt vor meinen Augen. Pitsy fauchte vor Angst und rannte davon.

Der Polizist wollte ihr einen Tritt versetzen und wäre dabei fast hingefallen. ›Verdammte Katze!‹, fluchte er. Ich blieb allein im Schrank zurück. Ich weinte nicht mehr. Dann habe ich lange Zeit nicht mehr geweint.«

Exodus ist das wohl persönlichste Werk von Esther Shakine.

Ticka gibt es wirklich. Ihre Geschichte ist die von Esther Shakine, die 1932 in Ungarn geboren wurde. Nach der Deportation ihrer Eltern überlebte sie – nicht nur dank Pitsy – die Schoa. Schließlich emigrierte sie nach Israel, wo sie in einem Kibbuz aufwuchs.

Rettung Von ihrer schier unglaublichen Rettung erzählt Shakine nun in einer eindrucksvollen Graphic Novel, die jetzt endlich auch auf Deutsch erschienen ist: Exodus ist benannt nach dem Schiff, das 1947 rund 4500 Überlebende des Nazi-Terrors nach Palästina bringen sollte – was von den Briten gewaltsam verhindert wurde.

Shakine, die in Tel Aviv Kunst studierte und als Illustratorin arbeitete, legt mit dem Buch ihren ersten Comic vor. Es ist ein bemerkenswertes Debüt – auch deshalb, weil die Künstlerin die Regeln des Genres frei interpretiert. Im Tonfall eines Tagebuchs lässt sie Ticka berichten.

Zeichnung Das geschieht in längeren Texten, manche Seiten sind klassisch in Panels aufgeteilt, dann wieder gibt es Zeichnungen, die derart kraftvoll sind, dass sie den Rahmen eines Einzelbildes sprengen. Virtuos wechselt Shakine zudem zwischen Collage und Illustrationen, die an Scherenschnitte erinnern. Letztere nutzt sie vor allem, um Brutalität zu abstrahieren, somit erträglicher zu gestalten.

Es ist ein bemerkenswertes Debüt.

Exodus ist das wohl persönlichste Werk von Esther Shakine. Das Buch richtet sich an Kinder ab acht Jahren ebenso wie an Erwachsene. Ihre Odyssee führte Shakine einst übrigens zurück ins Land der Täter, nach Hamburg: Die Briten beschlagnahmten die »Exodus« und verfrachteten die Menschen wieder nach Europa. 1948 gelang der 16-Jährigen auf der »Andorra Panama« die Überfahrt nach Israel. »Ich hatte das Gefühl, dass ich endlich angekommen war.«

Esther Shakine: »Exodus«. Klinkhardt & Biermann, München 2020, 48 S., 15 €

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025