Eigentlich, stellt Eva Menasse ganz zu Beginn klar, ist Heimat für sie ein »schwieriger, schlimmstmöglich missbrauchter und mit Kitsch aufgeladener Begriff«.
Vergangene Woche aber hatte Michel Friedman die Schriftstellerin ins Jüdische Museum Frankfurt eingeladen, um über genau diesen Begriff zu sprechen. Schon nach fünf Minuten wird deutlich: Für Menasse ist Heimat nicht an einen Ort gebunden, vielmehr sieht sie darin eine Sehnsucht, »eine Utopie des Positiven«. Wo aber schon nach wenigen Minuten alles halbwegs geklärt scheint, wie kann dieses auf YouTube live übertragene Gespräch noch weitergehen, ohne redundant zu werden?
Sprache Ja, Menasse wird noch die österreichische Sprache, Mentalität und vor allem die österreichische Literatur zu ihrer Heimat erklären. Die in Berlin lebende Autorin wird irgendwann auch Wien als ihre Heimatstadt deklarieren. Ansonsten aber wird sie sich gegen Friedmans Versuche wehren, sich rhetorisch aus der Reserve locken zu lassen. »Sie haben sich aber aufmunitioniert mit Zitaten«, sagt Menasse, als Friedman einschlägige Heimat-Äußerungen in Anschlag bringt. »Mir ist Ihre Frage zu unkonkret«, entgegnet sie ein anderes Mal. Menasse bleibt streng und skeptisch.
Erst die Identitätspolitik bringt das Gespräch wieder auf Trab. Menasse ordnet ein: Minderheiten wie Transpersonen etwa wollen ihre Opfergeschichten aus ihrer Sicht erzählen. Das sei etwas, was Juden schon gemacht hätten. »Ich verstehe den Wunsch, im eigenen Leid anerkannt zu sein. Was daraus folgt, finde ich problematisch«, sagt Menasse. Die sich voneinander abgrenzenden Opfergruppen werden immer kleiner und unversöhnlicher.
Vernunft Dann geht es um Deutschland. Menasse bleibt gelassen. Sie glaubt an die politische Vernunft der entscheidenden Mehrheit der Deutschen. Es wird dann noch über globalisierte »Anywheres« und ortsgebundene »Somewheres« gesprochen.
Erst spät kommt mit dem Konzept der Diaspora ein dezidiert jüdischer Akzent hinzu. »Ein Gedankengebäude, mit dem man sich verbinden kann« nennt es Menasse. Ein Konzept, das eine Bindung zum Jüdischsein ermöglicht, auch wenn man nicht jüdisch-religiös aufgewachsen ist. Und schon ist die Zeit dieses Gesprächs, von dem sich jede Minute des Zuhörens lohnt, um.