Netflix-Serie

»Es war ein Heilungsprozess«

Lior Raz Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Herr Raz, gemeinsam mit Avi Issacharoff haben Sie die TV-Serie »Fauda« geschrieben, die seit Kurzem bei Netflix läuft. Was hat Sie dazu inspiriert?
Ich habe während meiner Zeit bei der israelischen Armee selbst bei einer Spezialeinheit gearbeitet. Avi ist einer der besten Journalisten in Israel, der sich seit langer Zeit mit der arabischen Bevölkerung und dem Nahen Osten auseinandersetzt. Wir beide haben also viel über das Leben hier in Israel zu sagen. Wir wollten thematisieren, welchen Preis die Spezialeinheiten, deren Familien, deren Freunde bezahlen, aber auch, welchen Preis die Palästinenser zahlen müssen. Wir wussten ja nicht, dass es ein solcher Erfolg werden würde. Wir haben eher gedacht, dass allein Avis und meine Mutter »Fauda« sehen würden.

Warum ist »Fauda« so erfolgreich?
Ich glaube, weil wir über keine Seite ein Urteil fällen wollen. Die Erzählperspektive ist eine zionistische. Wir sind Israelis, Zionisten, und wir lieben unser Land. Und trotzdem wollten wir die Bösen nicht als flache Typen ohne Gefühle darstellen, denn auch sie haben Familien, lieben ihre Kinder und haben viel zu verlieren.

Wie nahe an der Wirklichkeit ist die Serie?

Es ist nach wie vor Fiktion, es ist ein Drama, eine TV-Serie, und wir haben uns vieles ausgedacht, aber die Handlungsstränge, die mit der politischen Situation innerhalb der arabischen Bevölkerung, mit den Kämpfen zwischen Hamas und Fatah zu tun haben, sind real. Wir wollten einfach gute Unterhaltung machen. Einige Aspekte der Serie basieren aber auch auf sehr persönlichen Erfahrungen. Meine Freundin wurde in Jerusalem von einem Terroristen ermordet. Und wir wollten das in die Serie mit einfließen lassen.

Waren die Dreharbeiten für Sie auch eine Art Therapie?
Es war definitiv ein Heilungsprozess. Denn ich habe lange Zeit mit niemandem über einige Dinge, die ich erlebt hatte, gesprochen und habe Gefühle unterdrückt. Das Schreiben darüber und später dann auch das Spielen war für mich eine Begegnung mit mir als jüngerem Mann.

Die Serie ist nicht nur in Israel erfolgreich, sondern auch in arabischen Ländern. Bekommen Sie von dort ein Feedback?
Ja, und das, was ich lese und höre ist, dass wir zuerst einmal die Sprache ehren – das Arabische. Wir unterhalten uns in einem bestimmten Dialekt, und wir lieben diese Sprache. Mein Vater kommt aus dem Irak, und meine Mutter ist aus Algier – zuhause haben wir arabisch gesprochen. Und es ist meines Wissens das erste Mal, dass eine israelische Serie nicht nur der Sprache einen großen Raum gibt, sondern dass wir aus der anderen Perspektive berichten. Ich habe E-Mails von arabischen Zuschauern bekommen, die schreiben, dass sie zum ersten Mal Mitgefühl für die israelische Seite aufbringen konnten. Gleichzeitig sagen mir sogar rechtsgerichtete Israelis, dass sie für die palästinensische Seite Verständnis bekommen. Wir müssen also irgend etwas richtig gemacht haben.

Berlin spielt in »Fauda« eine besondere Rolle. Warum?
Ich liebe Berlin und war in den vergangenen Jahren sehr oft in der Stadt. Für Israelis, Palästinenser, Araber und Muslime ist es eine Art Zufluchtsort. Vielleicht hat sich das mittlerweile etwas geändert, aber im Großen und Ganzen ist es so gewesen. Für mich persönlich ist die Stadt ein Ort, an dem ich nicht unbedingt erkannt werde. Es ist eine Stadt der Ruhe und der Liebe.

Eine zweite Staffel ist bereits in Planung. Worauf kann sich das Publikum freuen?
Ich kann natürlich nichts verraten, aber es wird extrem, und es wird persönlich.

Mit dem Schauspieler sprach Katrin Richter.

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025