Nachdem vor einem Jahr eine Ölpest der israelischen Mittelmeerküste zusetzte, wurde jüngst wieder ein mutmaßlicher Ölteppich entdeckt. Die Umweltkatastrophe im vergangenen Februar richtete unterdessen Schäden an den Stränden an, von denen auch die Tierwelt betroffen war. Tausende Freiwillige halfen, den 160 Kilometer langen Küstenabschnitt zu reinigen.
»Die Wellen spülten Tonnen von Teer an«, sagt Rotem Sinai aus Tel Aviv. »Zahlreiche Meerestiere wie Schildkröten waren mit einem schwarzen klebrigen Film bedeckt.« Die Biologiestudentin war auch 2020 eine von 18.000 Freiwilligen der weltgrößten Strandsäuberung, als im jüdischen Staat entlang seiner Mittelmeerküste, dazu rund um den Kinneret und das Rote Meer bei Eilat, über 62 Tonnen Müll eingesammelt wurden.
»Naturschutz wurde in Israel lange Zeit nicht großgeschrieben«, erklärt die Umweltaktivistin. Sie warnt: »Der Klimawandel könnte auch die Konflikte im Nahen Osten verschärfen.«
KLIMASCHUTZ Das möchte die israelische Regierung verhindern. Bei der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow im vergangenen November erklärte Premierminister Naftali Bennett den Klimaschutz zur Chefsache. Um bis 2050 die Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen und bis 2025 aus der Kohle auszusteigen, kündigte er die umgehende Einrichtung von Arbeitsgruppen an und versprach, Investitionen in grüne Energie zu erleichtern. Zwischenzeitlich wurde ein Schutzprogramm in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar verabschiedet.
Viele Experten trauen Israel zu, eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel einzunehmen.
Kann Israel auch in puncto Klimatechnologie eine weltweit wichtige Rolle spielen – ähnlich wie bei der Cyberabwehr? 1999 entwickelte der jüdische Staat eine Strategie dazu – und ist mittlerweile global führend. »Israel wurde unter den Herausforderungen des Klimawandels gegründet«, sagt Ofira Ayalon, Professorin und Ökologieforscherin am Samuel-Neaman-Institut am Technion in Haifa.
»Menschen siedelten auf einem sonnigen, halb trockenen Land ohne Wasserverfügbarkeit.« Für die Umweltexpertin haben die schwierigen Lebensumstände der 40er- und 50er-Jahre den Drang geweckt, eine innovative Überlebens-Chuzpe zu nutzen. »Diese Merkmale sind Teil unserer Mentalität.«
So wurde 1964 der National Water Carrier fertiggestellt, der Wasser vom Kinneret im Norden in die Wüstenregionen im Süden transportierte, wobei etwa 80 Prozent für die Landwirtschaft und 20 Prozent für Trinkwasser verwendet wurden. Ayalon glaubt, dass das in den Pionierjahren erworbene Wissen dazu führte, dass das Land zu einem Innovations- und Technologieführer bei Tropfbewässerung, Entsalzung und Abwasserbehandlung wurde. »Fast 90 Prozent aller israelischen Haushalte verwenden Solarthermie«, erklärt sie. »Israel versucht schon lange, seine Klimatechnologie nachhaltig zu nutzen.«
UNTERNEHMEN Eine Veröffentlichung der israelischen Innovationsbehörde (IAI) in Zusammenarbeit mit der PLANETech-Community stellte unlängst fest, dass es im jüdischen Staat 637 Unternehmen gibt, die Klimatechnologien entwickeln, was etwa zehn Prozent der im vergangenen Jahr im Land gegründeten Hightech-Unternehmen ausmacht. Der noch relativ geringe Anteil des Sektors soll auf regulatorische Hindernisse und die schwierige Finanzierung zurückzuführen sein.
Während 20 führende israelische Kapitalgesellschaften kein Interesse an einer Förderung heimischer Klimaunternehmen hatten, investierten mehr als 560 private Investmentgesellschaften zwischen 2018 und 2020 insgesamt drei Milliarden US-Dollar. 40 Prozent des gleichen Betrages flossen allein im ersten Halbjahr 2021. Auch von der israelischen Regierung kamen in dieser Zeit insgesamt 280 Millionen US-Dollar.
Klimainnovation könnte auch zum Wachstum nachhaltiger Wirtschaftszweige beitragen.
Laut dem Bericht steht Israel bei der künstlichen Herstellung von Fleisch sowie auf den Gebieten Bewässerungssysteme, Präzisionslandwirtschaft und Wasserentsalzung ganz oben auf der Liste der G20-Staaten. Andere Ressorts wurden als erhebliches ungenutztes Wachstumspotenzial identifiziert, darunter Energiespeicherung, neue Mobilitätslösungen, alternative Proteine und klima-intelligente Landwirtschaft.
LÖSUNGEN »Die Klimakrise ist die größte globale Bedrohung für die Menschheit«, sagt IAI-Geschäftsführer Dror Bin. »Während auf internationaler Ebene zahlreiche Aktivitäten stattfinden, richtet sich die weltweite Aufmerksamkeit auf den Technologiesektor, um innovative und wegweisende Lösungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zur Bewältigung der Folgen der Krise zu entwickeln.«
Der Bericht der Innovationsbehörde positioniert den jüdischen Staat als weltweit führend in der Klimatechnologie und wirft ein Schlaglicht auf die mit großem Potenzial ausgestatteten Bereiche. Israel soll ein globales Zentrum in diesem Sektor werden. Es könnte dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen auf der ganzen Welt zu reduzieren. »Klimainnovation ist nicht nur ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Klimakrise«, erklärt Dror Bin, »sondern auch eine bedeutende Geschäftschance für das Wachstum einer innovativen, vielfältigen und nachhaltigen Technologiebranche.«
Rotem Sinai glaubt an die Fähigkeit des jüdischen Staates, in kurzer Zeit Lösungen zu schaffen.
Viele Experten trauen der »Start-up Nation« Israel zu, eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel einzunehmen, glauben aber nicht an den gleichen Erfolg wie bei der Cybersicherheit. Denn dort lässt sich schon mit einem geringen Betrag eine lukrative Idee entwickeln, während es in der Klimatechnologie oft um Hardware geht, die große Industrieanlagen erfordern könnte. Auch dauert die Entwicklung länger, und für eine Infrastruktur mit zahlreichen Mitarbeitern wird mehr Geld benötigt. Diese Faktoren schrecken Investoren und Unternehmer ab.
umweltaktivisten Ob ihr Land in Sachen Klimatechnologie zu den führenden Nationen gehört, ist vielen israelischen Umweltaktivisten egal. Wichtig ist ihnen, dass endlich weltweite Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden. »Israel hätte früher in die Klimatechnologie einsteigen sollen«, sagt Rotem Sinai. »Doch es ist noch nicht zu spät.«
Zwar macht sie die Jerusalemer politischen Turbulenzen der vergangenen Jahre für eine verfehlte Klimapolitik verantwortlich, dennoch glaubt Sinai an die Agilität und die Fähigkeit des jüdischen Staates, in kurzer Zeit Lösungen zu schaffen. »Israel ist das Licht unter den Völkern«, sagt sie, um dann einen berühmten Ausspruch von Theodor Herzl aufzugreifen: »Wenn wir es wollen, wird es kein Traum sein.«