Frau Wolfe, gemeinsam mit Dalia Shusterman, Dana Pestun und Elisheva Maister sind Sie die »Bulletproof Stockings«. Woher kommt dieser Bandname?
»Bulletproof Stockings« ist eigentlich eine Art Spitzname für chassidische Frauen, der in der jüdischen Community benutzt wird, um vorranging ältere Frauen zu beschreiben, deren Strumpfhosen so dick und blickdicht sind, dass sie schon fast schusssicher sind.
Besonders nett ist das ja nicht gerade.
Perl Wolfe: Ja, aber Dalia und ich dachten, der Name sei trotzdem ganz cool, weil er uns Kraft geben und eben nicht abwertend wirken soll. Außerdem ist der Gegensatz zwischen dem harten Bulletproof und dem weichen Stockings sehr interessant. So wie dunkel und hell. Und Chassidin zu sein, heißt, Balance zu halten, eine Brücke zwischen den Welten zu schlagen, nämlich der alten und der neuen. Die Tora zu befolgen und trotzdem in der materialistischen Welt zu leben.
Was sind Eure musikalischen Einflüsse?
Perl: Ich habe schon als Kind Louis Armstong gehört, Ella Fitzgerald, The Beatles. Auch klassische Musik, die ich bei meinen Eltern gehört habe. Als Teenager stand ich auf Punkrock, Alternative Rock und spätestens beim Classic Rock dachte ich: Das ist es. Ich höre auch The Doors, The White Stripes und alles, was Jack White macht.
Wie seid Ihr zusammengekommen?
Dalia: Bevor ich religiös wurde, habe ich in Rockbands gespielt. Ich war aber auf der Suche nach meinem spirituellen Ich, ging nach Crown Heights, wurde Chassidin und traf meinen Mann. Das hat schon eine Weile gedauert: Er war in der Ausbildung zum Rabbiner, und ich war sozusagen gerade noch im Tourbus. Ich wollte mich zwar von der ganzen Rockwelt trennen, aber es war zu schmerzhaft. Also suchte ich nach Wegen, wieder zu spielen – halt nur vor Frauen.
War das Leben ohne Rockmusik schwer?
Dalia: Ich hatte den festen Wunsch, wieder aufzutreten. Aber erst einmal gründete ich eine Familie, bekam vier wundervolle Kinder. Leider verstarb mein Mann früh. Aber Gott fügt die Dinge nun einmal zusammen, und ich traf Perl. Wir hatten von Anfang an eine Verbindung. Als ich ihre Musik hörte und Drums in Crown Heights spielte, wusste ich, das ist es.
Perl: Ich bin mit Musik aufgewachsen, spielte Klavier, aber habe nie mehr daraus gemacht, sondern Psychologie studiert. Heiratete, wurde geschieden und ging danach erst einmal zu meinen Eltern nach Chicago zurück. Ich war auf der Suche nach etwas und entschied mich für ein chassidisches Leben in New York. Und ich wollte eine Frauen-für-Frauen-Band.
Emanzipiert Ihr Euch mit Eurer Musik?
Perl: In der jüdischen, der chassidischen und im Rest der Welt gibt es definitv eine Art Revolution. Für viele ist das noch neu. Frauen kommen an die Macht und dominieren schon auf vielen Gebieten. Als wir vor vier Jahren anfingen, kamen Frauen noch sehr schüchtern zu unseren Konzerten. Wir mussten sie schon fast ermutigen, zu tanzen. Es war halt neu für sie, dass es diese Shows gab – ohne Männer.
Erleben Frauen Konzerte anders, wenn sie unter sich sind?
Dalia: Nun, ich kann vielleicht von meinen Erfahrungen berichten, als ich noch vor Männern gespielt habe. Frauen verhalten sich anders, sobald ein Mann den Raum betritt. Jeder wird sich seiner Rolle als Mann oder Frau bewusst, und diese Frage stellt sich nicht, wenn nur Frauen zusammen sind. Die Stimme wird anders. Man versucht, sein Publikum zu verführen, und das ist anders, wenn Männer darunter sind. Unter Frauen ist alles freier. Man ist frei von dem Druck, sich als Frau wie eine Frau für einen Mann zu verhalten.
Perl: Männer bringen eine andere Energie mit sich. Und wenn wir vor Frauen spielen, ist es entspannter. Bei einigen Shows waren auch Männer, einfach, weil sie im Management des Clubs arbeiteten, weil sie den Sound gemacht haben oder so. Aber wir hatten Konzerte, bei denen es ausschließlich Frauen gab, und das war toll. Wir sind ja nicht gegen Männer.
Mit den Musikerinnen sprach Katrin Richter.
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