Yankele Braid (Adir Miller) ist Heiratsvermittler. Der stämmige Mann mit den markanten Narben im Gesicht und dem Filzhut auf dem Kopf spricht auf der Suche nach Kundschaft ziemlich jeden und jede auf der Straße an, auch Teenager, die er fragt, ob sie keine älteren Geschwister haben, die zu verheiraten wären.
Es ist Sommer in Haifa 1968. In Israel bekommt man wenig mit von den Jugendrevolten in Europa und den USA. Sex and Drugs and Rock’n’ Roll bleiben außen vor oder erreichen den jüdischen Staat nur sporadisch.
Für den 16-jährigen Arik (Tuval Shafir) fängt dieser Sommer dennoch aufregend an. Denn der schrullige Yankele ist ein Freund von Ariks aus Rumänien stammendem Vater, wie der ein Überlebender der Vernichtungslager. Der Schadchen stellt Arik als Assistenten ein. Der Teenager soll Frauen beobachten, nach potenziellen Heiratskandidaten Ausschau halten.
Glücksspiel Yankele arbeitet in einem schäbigen Stadtteil in der Nähe des Hafens, der Arik bisher verschlossen blieb. Dort gibt es Seeleute, Prostituierte und ein Kino, das nur Liebesfilme zeigt.
Es wird von der kleinwüchsigen Silvia (Bat El-Papura) geführt, einer energischen Überlebenden von Dr. Mengeles Menschenversuchen, die sich einen (großen) Mann fürs Leben wünscht. Genau hinter dem Kino liegt das Büro von Yankele, der in einer seltsam engen Beziehung zur schönen, blonden Clara (Maya Dagan) steht, in deren Wohnung die beiden illegales Glücksspiel betreiben.
Und dann ist da auch noch Tamara (Neta Porat), die aufreizende Cousine seines Freundes Beni (Tom Gal). Tamara wohnt eigentlich in den USA, muss aber diesen einen Sommer bei ihrer israelischen Familie verbringen.
Ihr ist Haifa zu klein und provinziell, sie redet von Sex und Frauenemanzipation und verdreht den noch recht unschuldigen Jungs kräftig den Kopf und die Sinne. Arik muss sich zwischen Verliebtheit und Loyalität zu seinem besten Freund entscheiden. Derweil rufen Yankele Braids diverse Aktivitäten Ariks paranoiden Lehrer auf den Plan, der die Idylle dieses Sommers trübt.
erwachsenwerden Regisseur Avi Nesher hat einen melancholischen Film über das Erwachsenwerden gedreht, aber auch über die inneren Widersprüche in Israel nach dem Sechstagekrieg 1967. Die Schoa ist noch ein Tabu, Überlebenden wird eher misstraut, und Arik versucht, sich über das Thema aus Schmuddelromanen zu »informieren«, in denen es jedoch mehr um Sex als um Völkermord geht.
Der 1953 geborene Avi Nesher wuchs in Israel und den USA auf. Bekannt wurde er 1979 mit seinem Kultfilm Dizengoff 99, mit 400.000 Zuschauern einer der größten Erfolge des israelischen Kinos. Das autobiografische Werk erzählt von drei Freunden, die in Tel Aviv das (Nacht-)Leben genießen, sich unkonventionell verlieben und mit ihrem lockeren Lebensstil die Älteren provozieren. Schon damals bewies Nesher seine Begabung für Coming-of-Age-Filme, die den Generationskonflikt unterhaltsam aufarbeiten. Mit seiner neuen Produktion knüpft der Regisseur jetzt thematisch an seine Anfänge an, jedoch subtiler und nachdenklicher als in den frühen Filmen.
Sommer in Haifa, der für sieben israelische Filmpreise nominiert wurde, ist eine subtiler Tragikomödie, die sich wohltuend auf die Wünsche und Illusionen konzentriert, die fernab der großen Politik den Alltag ihrer Helden im Sommer 1968 bestimmen. Nesher ist ein unspektakulär ein dringlicher Film gelungen, der dank seiner engagierten deutschen Verleiherin mit ihrem Ein-Frau-Betrieb »Bildkraft« nun auch in die hiesigen Kinos gelangt.