Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Kunstausstellung documenta in Kassel erneut kritisiert. Diesmal geht es um die Herkunft der zur Ausstellung eingeladenen Künstlerinnen und Künstler. Es sei schwierig, »an einen Zufall zu glauben, wenn kein einziger israelischer Künstler vertreten sein wird«, sagte der Zentralratspräsident Josef Schuster der Zeitung »Die Welt«. »Bei den Gesamtumständen, die wir bei der documenta sehen, drängt sich der Eindruck geradezu auf, dass BDS mit seinem Aufruf zum Boykott israelischer Kunst und Kultur bereits wirkt.«
Die Pressesprecherin der documenta hatte am 18. Mai auf eine Anfrage der Jüdischen Allgemeinen zur Einladung israelischer Künstler bei der Schau wie folgt geantwortet: »Es gibt Beteiligte aus Israel, Einladungen erfolgten jedoch nicht aufgrund nationaler oder anderer Zugehörigkeiten sondern aufgrund der Praxis der eingeladenen Beteiligten und deren Relevanz für und Kompatibilität mit der lumbung-Praxis der documenta fifteen. Aus diesem Grund wurden beispielsweise bei der Verkündung der beteiligten Künstler*innen auch Zeitzonen statt Angaben von Nationalitäten kommuniziert.«
BDS-BESCHLUSS BDS steht für »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen«. Die Bewegung will Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren. Der Bundestag distanzierte sich 2019 in einem Beschluss von der BDS-Kampagne. Der Beschluss, dem die heutige Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) nicht zugestimmt hatte, wird von zahlreichen Kulturschaffenden kritisiert.
Schuster verwies darauf, die documenta gehöre weltweit zu den »bedeutendsten Ausstellungen« und habe eine große Ausstrahlung. Die vom 18. Juni bis 25. September in Kassel zu sehende documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Präsentation für Gegenwartskunst. Jenseits des von Israel verantworteten Pavillons sind auch bei der Biennale keine Künstlerinnen und Künstler aus Israel im Verzeichnis zu finden.
Zuvor hatte Schuster bereits in einem Brief an Roth den Umgang der documenta mit Antisemitismus-Vorwürfen kritisiert. In dem der dpa in Berlin vorliegenden Brief sprach Schuster auch von einem Expertengremium, das überwachen solle, das »keine antisemitischen Kunstwerke ausgestellt und kein Antisemitismus und Israelhass propagiert werde«.
Roth hatte sich bereits gegen Kritik an der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler gewandt. »Die Herkunft allein kann nicht bestimmend sein, was gezeigt wird und was nicht«, sagte die Kulturstaatsministerin dazu.
Vor wenigen Tagen hatten Roth und Schuster nach einem Treffen festgehalten: »Wir sind uns einig, dass Antisemitismus in seinen unterschiedlichen Formen keinen Platz in Deutschland und weltweit haben darf, auch nicht auf der documenta.« Der Schutz der Kunstfreiheit, aber auch die Frage ihrer Grenzen müssten »gemeinsam und unter Bezug sowohl auf Deutschland als auch die internationale Dimension« erörtert werden. dpa/ja