Bildband »Schwein gehabt«

Er kann auch nett

Jetzt fotografiert er auch noch!» Freunde und Feinde dürften wohl gleichermaßen aufschreien, wenn sie dieses Buch in der Hand halten. Denn in Schwein gehabt. Eine Biografie in Bildern zeigt der Publizist Henryk M. Broder, dass er nicht nur zu schreiben vermag, sondern seit mehreren Jahrzehnten auch ein passionierter wie origineller Fotograf ist. Nur mitbekommen hat das bis dato wohl kaum jemand.

Seinen 70. Geburtstag hat der Terminator des politischen Feuilletons nun zum Anlass genommen, genau das zu ändern – und zwar mit einem Bildband, der so ganz anders ist als das, was man eigentlich von solchen Fotobüchern erwartet. Oder von Broder selbst. Schließlich finden sich darin keine auf Hochglanz polierten Aufnahmen, die mit viel Sinn für Ästhetik perfekt durchkomponiert worden sind. Ebenso wenig aber auch Polemiken oder Krawall.

Chronist «Ich fotografiere so, wie schreibe: immer drauflos», erklärt er in der Einleitung. Das mag zwar stimmen, aber das Ergebnis ist eben nicht der aus Fernsehsendungen und Artikeln bekannte Broder, der keinem Streit aus dem Weg geht. Vielmehr wirkt er wie ein spontan agierender Chronist der Wirklichkeiten, der mit der Kamera geradezu liebevoll Personen, Situationen und Örtlichkeiten einfängt. Und zwar genau in den Momenten, die sich nicht wiederholen lassen. All das kommt völlig ohne Provokation und Gepolter daher, sondern immer sehr empathisch.

«Henryk kann die Welt lesen, als wären seine Augen Scanner», lautet dazu passend der Kommentar seines engen Freundes, des niederländischen Schriftstellers Leon de Winter. «Er liest das Schöne, das Hässliche, das Zärtliche, das Rührende.»

Zu sehen sind Aufnahmen aus der zerbröckelnden DDR während der Wendezeit, der leicht marode Charme der Architektur von Tel Aviv oder ein knallrotes Erotic Center samt Sex-Show-Container irgendwo in der verschneiten polnischen Pampa. Schnappschüsse von alten Weggefährten wie dem Schriftsteller Gad Granach, einmal sogar gemeinsam mit der von Broder gerne gebashten Iris Berben, gibt es gleichfalls reichlich.

Food Porn Ein weiteres zentrales Thema: Essen. Ganz viel Essen. Oder Leute, die gerade an einem reichlich gedeckten Tisch sitzen und essen. Egal, ob es sich dabei um einen köstlich unkoscheren Strammen Max handelt, den Broder allein schon optisch «saukomisch» findet, eine gigantische Meeresfrüchteplatte, die erahnen lässt, warum mittlerweile viel von der Überfischung der Ozeane die Rede ist, oder um herrlichen Hummus aus Israel: «Ich möchte nur in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass ich schon Selfies gemacht habe, bevor das Wort erfunden wurde, und dass ich Speisen fotografierte, als noch niemand etwas von ›Food Porn‹ gehört hatte», schreibt Broder in der Einleitung.

Offenkundig hat ihm das Fotografieren ohne die erklärte Absicht, auf Biegen und Brechen Kunst produzieren zu wollen, ziemlich viel Spaß bereitet. Henryk M. Broder schafft es, selbst mit der Aufnahme des Innenlebens eines Kühlschranks, eine Geschichte zu erzählen. Oder wie es der Fotograf Tim Maxeiner, der an der Auswahl und Zusammenstellung der Bilder beteiligt war, auf den Punkt bringt: «Er hat den Alltag ganz einfach zum Höhepunkt erklärt.»

Henryk M. Broder: «Schwein gehabt. Eine Biografie in Bildern». Knaus, München 2016, 256 S., 24,99 €

Leserbriefe

»Es gibt uns, nichtjüdische Deutsche, die trauern und mitfühlen«

Nach der Sonderausgabe zum Schicksal der Familie Bibas haben uns zahlreiche Zuschriften von Lesern erreicht. Eine Auswahl

 17.03.2025

Berlin

Weil Gal Gadot Israelin ist: Der Nahostkonflikt erreicht »Schneewittchen«

»Schneewittchen« ist noch nicht einmal gestartet, da überschatten bereits Kontroversen die Neuverfilmung des Disney-Klassikers. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Hauptdarstellerinnen

von Sabrina Szameitat  17.03.2025

Berlin

Deutscher Filmpreis: Zehn Nominierungen für »September 5«

Der Thriller über das Massaker von München im Jahr 1972 geht als Favorit ins Rennen um den Deutschen Filmpreis. Konkurrenz bekommt er unter anderem von einem Film, der für die Oscars nominiert war

 17.03.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. März bis zum 26. März

 17.03.2025

Rezension

Alles, nur nicht konventionell

Elisabeth Wagner rückt vier Frauen aus der Familie des Verlegers Rudolf Mosse ins Licht der Aufmerksamkeit

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.03.2025

Kulturkolumne

They tried to kill us, we survived, let’s eat!

Der Satz ist wie kein anderer mit jüdischer Essenstradition verbunden ist. In unserer Generation bekommt er eine neue Dimension

von Laura Cazés  16.03.2025

Tanz

Ballett nach Kanye West

Der Israeli Emanuel Gat inszeniert sein Stück »Freedom Sonata« im Haus der Berliner Festspiele

von Stephen Tree  16.03.2025

Düsseldorf

Fantastische Traumwelten in intensiven Farben

Marc Chagall zählt zu den wichtigsten und beliebtesten Malern des 20. Jahrhunderts. Nun widmet die Kunstsammlung NRW ihm eine große Ausstellung

von Irene Dänzer-Vanotti  16.03.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  14.03.2025 Aktualisiert