Die Geschichte des Zionismus im 20. Jahrhundert zeichnet sich durch zwei Hauptströmungen aus: den sozialistischen Arbeiterzionismus von David Ben Gurion und den Revisionismus von Wladimir Jabotinsky. Während Israel nach der Staatsgründung 1948 für fast drei Jahrzehnte von Ben Gurions Ansatz geprägt war, hatte der Wahlsieg des Likud im Jahre 1977 einen Umschwung hin zu Jabotinskys Ideen zur Folge: Wirtschaftspolitisch erfuhr Israel eine Liberalisierung, die Besiedlung des Westjordanlandes wurde ausgeweitet, und sicherheitspolitisch setzte man auf Stärke.
Lange Zeit galt Jabotinsky aber als ein Paria im offiziellen Zionismus-Diskurs. Für viele war er »Wladimir Hitler«, ein »jüdischer Faschist«, wie ihn Ben Gurion in den 30er-Jahren einmal genannt hatte. So war es auch stets schwierig, eine Biografie von Jabotinsky zu finden, die nicht von einem seiner Gegner oder aber von einem ehemaligen Weggefährten verfasst worden war und somit sein Leben für bestimmte politische Zwecke instrumentalisierte. Zumal sich das Standardwerk zu Jabotinsky von Shmuel Katz mit seinen rund 1900 Seiten nicht gerade als Einstiegslektüre eignet.
Schriftsteller Deshalb ist es ein großes Glück, dass sich jetzt mit Hillel Halkin ein renommierter israelischer Autor daran gemacht hat, zumindest für den englischsprachigen Raum einen objektiven und kondensierten Blick auf das Leben von Jabotinsky zu werfen. Wie bereits in seiner großartigen Biografie über den sefardischen Dichterfürsten des Mittelalters Jehuda Halevi gelingt es Halkin auch in seinem Buch über Jabotinsky, dessen Leben in einer zugänglichen und fesselnden Sprache auszubreiten.
Halkin hat hierbei durchaus Sympathien für Jabotinsky und zeigt, dass der Vorwurf, Jabotinsky sei ein Faschist gewesen, absolut haltlos ist. Ganz im Gegenteil: Halkin beschreibt ihn als einen liberalen Intellektuellen, der bereits in den 20er-Jahren vor den Gefahren des heraufziehenden Faschismus warnte. Für Literaturkritiker sind besonders Halkins Einlassungen zu Jabotinskys literarischem Werk interessant. Er arbeitet heraus, welches kreative Potenzial in diesem gesteckt hat und dass Jabotinsky, wenn er sich nicht für den Zionismus entschieden hätte, einer der größten jüdischen Schriftsteller hätte werden können.
Zweifel Gleichwohl scheut sich Halkin nicht, Jabotinsky auch zu hinterfragen. Das wird an zwei Stellen sehr deutlich: Beispielsweise, wenn er darüber spekuliert, ob Jabotinsky seine Verbannung aus Palästina durch die Briten im Jahr 1930 nicht gelegen gekommen sei, da er sich nie so recht mit dem Leben dort habe anfreunden können. Eine gewagte These, für die Halkin eindeutige Belege letztlich fehlen. Interessanter ist sein Blick auf Jabotinskys gespaltene Haltung zur Gewalt gegen Araber und Briten. Stand er dieser lange Zeit ablehnend gegenüber, sah er sich aufgrund der arabischen Revolte, der pro-arabischen Position der Briten, des europäischen Antisemitismus und junger radikaler Zionisten zu einer Meinungsänderung veranlasst.
So ist Halkins Jabotinsky am Ende kein strahlender Held, sondern ein zweifelnder und enttäuschter Mann, der die Unabhängigkeit Israels und den politischen Sieg der eigenen Ideen nicht mehr erleben sollte. Aber er ist eben auch nicht der faschistische Dämon, den die politische Linke aus ihm machen wollte.
Hillel Halkin: »Jabotinsky. A Life«. Yale University Press, New Haven 2014, 246 S., ca. 17 €