Die Täuschung liegt im ersten Blick, der aus nötiger Distanz die Gesichter als glatte Flächen wahrnimmt. Makelloses aus der Make-up-Palette des Künstlers, in einer Perfektion gefertigt, die sich jeder persönlich-emotionalen Handschrift widersetzt.
Mit dieser künstlerischen Haltung steht Alex Katz, 1927 in New York geborener Sohn jüdisch-russischer Eltern, in der Tradition jenes bedeutenden Strangs der Moderne, der sich der individuell emotionalen Bildgestaltung verweigerte. Doch die ironische Dialektik der Geschichte ist, dass gerade diese Coolness-Kunst Katz zu einem unverwechselbaren Künstler gemacht hat.
Lange galt Katz nicht als vollwertiges Mitglied jenes exklusiven New Yorker Clubs der Avantgarde, der in den 50er-Jahren die von Picasso und den Surrealisten bestimmte Bilderwelt mit ihrer rasanten Malerei des »Abstrakten Expressionismus« nachhaltig durcheinanderwirbelte.
Von den brisanten Neuschöpfungen der Heroen Mark Rothko, Willem de Kooning oder Jackson Pollock trennte Katz nur wenig – aber Entscheidendes. Er konzentrierte sich in einer Zeit, in der die vielfarbige Abstraktion als Merkmal des Fortschritts galt, auf das Figürlich-Gegenständliche.
druckgrafik Katz’ glatte Farbflächenmalerei, die nicht bloß im Großformat etwas Plakathaft-Plakatives hat, ist geradezu geschaffen für die an technischen Möglichkeiten reiche Druckgrafik, wie die gerade eröffnete Ausstellung seiner »Cool Prints« im Jüdischen Museum Frankfurt/Main zeigt. Keine Geringere als die weltberühmte Wiener Albertina, Leihgeberin der Frankfurter Präsentation, hütet und pflegt das grafische Werk des Amerikaners.
Der spezielle Realismus des Alex Katz ist kein sozialkritischer, sondern einer der Eleganz. Seine Porträts, die gemalten ebenso wie die grafischen, scheinen eingefrorene Statuen der Schönheit. Doch beim genauen Hinsehen wird erkennbar, dass die verschiedenen Farbaufträge Schatten werfen und dass das scheinbar Perfekte seine Unvollkommenheit hat.
Und dann bekommen die Augenhöhlen seines Lieblingsmodells Ada, der Frau des Künstlers, dunkle Ränder, und ihre Nase erkennt man als leicht gebogen. Dank der Farbsetzung verwandelt sich das Unpersönliche in (s)eine wundersame Individualität.
balanceakt Alex Katz hat bereits um 1960 seine Themen gefunden: Porträts, Figurengruppen, Landschaften. Es ist verdienstvoll, dass auch Letztere im Jüdischen Museum Frankfurt zu sehen sind. Denn Katz ist ganz entschieden ein Künstler der Landschaft.
In diesen vollzieht er einen atemberaubenden Balanceakt zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Seine Landschaften haben etwas Immaterielles, Flüchtiges, geradezu Impressionistisches.
Natürlich gibt es Bezüge zur Pop-Art. Katz hat, früher als Andy Warhol, sein Bildpersonal vor monochromem Hintergrund platziert. Er hat auch mit seinen zahlreichen Ada-Porträts Warhol die Ideen für die »verdoppelten« und seriellen Bildmotive geliefert. Der Pop-Art zugehörig gefühlt hat sich Katz aber nie. Die sei, hat er in einem Interview mit dem Malerkollegen David Salle einmal gesagt, zynisch und ironisch.
Statt Zynismus weht eine manchmal unheimliche Atmosphäre durch Katz’ Landschaften, die man von Edvard Munch kennt. Und in den so zahlreichen Porträts seiner Frau Ada, die Alex Katz in den Jahrzehnten ihres Zusammenseins schuf, verbindet sich eine fast verborgene Melancholie mit zerbrechlicher Unantastbarkeit.
ie Gefühlsreduziertheit seiner Kunst schafft die Voraussetzung für emotionsgeladene Interpretationen. Die wie versiegelt wirkenden Porträts und Selbstbildnisse sind Masken und Spiegel zugleich. Sie verbergen und legen in eleganter Würde einen Schmerz frei, dessen nie versiegende Quelle der Mensch selbst ist.
Alex Katz: Cool Prints. Jüdisches Museum Frankfurt/Main, bis 8. Januar 2012
www. juedischesmuseum.de