Wolf Biermann erwähnte 2007 in seiner Laudatio bei der Verleihung des Leo-Baeck-Preises an die Bundeskanzlerin, dass er sein Lied Ach, die erste Liebe deshalb vorgetragen habe, »weil mir am Vortag mein Ostberliner Freund Ekke Maaß Eizes gegeben hatte: Die Merkel liebt die Lieder des ›russischen Biermann‹, Bulat Okudshava.« Bereits 1992 hatte der Dichter das Wort im Titel eines Buches benutzt, in dem er mit dem DDR-Spitzelsystem abrechnete: Der Sturz des Dädalus oder Eizes für die Eingeborenen der Fidschi-Inseln über den IM Judas Ischariot und den Kuddelmuddel in Deutschland seit dem Golfkrieg.
Gaunersprache Als Variante des nur im Plural gebrauchten (auf der Erstsilbe mit Lang- oder Kurzvokal betonten) Substantivs »Ezzes« führt der Duden »Eizes« für »Ratschläge« auf. Das Wort wurde über das Rotwelsche aus dem westjiddischen »eize/ eizes« entlehnt, das auf das hebräische »eza(h)/ezot« (Rat) zurückgeht. Naschérs Buch des jüdischen Jargons (1910) nennt aus der Kochemer Sprache das »etzebajis« (Rathaus). Bischoffs Jüdisch-deutscher und deutsch-jüdischer Dolmetscher (1916) verweist auf das gaunersprachliche »Ezes-geber« für einen Richter, wobei anklingt, dass Eizes einem auf die Nerven gehen können.
Schon in Tendlaus Sammlung jüdischer Sprichwörter und Redensarten (1860) werden nutzlose Ratschläge (»Der füttert aan das ganze Johr mit Eezes«) lapidar kommentiert: »Was tu ich mit Eezes, baar Geld brauch’ ich.« Bei Weinberg (Die Reste des Jüdischdeutschen, 1969) liest man »Mit Eizes bin ich versorgt«, eine nach Meyerowitz (Der echte Jüdische Witz, 1971) »stehende, sehr viel verwendete Redensart; sie wehrt aufdringliche Ratgeber ab«. Dazu passt der Witz über zwei in Tiroler Tracht gewandete vollbärtige Fahrgäste, die nach dem »Anschluss« Österreichs 1938 in der Eisenbahn sitzen. Sagt der eine: »Wan i a Jud waar, tat i mii als a Tirooler vakloadn!« Sagt der andere: »Hob ach Ejzes gefrogt fun ajch?«
Sprachmischmasch In amerikanisch-jiddischen Internetforen ist oft von »eytses« die Rede (»Kh’bin vider tsu aykh gekumen far an eytse«). In Deutschland ist das Wort inzwischen aus dem Sprachgebrauch weitgehend verschwunden. Als es bei uns noch geläufiger war, konnte man gutgemeinte Ezzes geben, einholen, befolgen, missachten und so weiter. In der Wochenzeitung Die Zeit beschrieb H. Daiber noch 1961 den Sprachmischmasch in TV-Studios: »Man sagt’s nach Möglichkeit englisch, wenn nicht jiddisch. Man bekommt nicht Hinweise, sondern hints oder auch eizes.«
Bei unseren österreichischen Nachbarn dagegen leben die Ezzes munter fort. H. D. Pohl zählte 1999 in einem Artikel zum österreichischen Deutsch »Ezzes« zu den »binnendeutschen Ausdrücken, die über Wien in Österreich eingebürgert worden sind«. Das Variantenwörterbuch des Deutschen (2004) spricht von einem »saloppen Grenzfall des Standards«. 2011 fragte der Wiener jüdische Autor Rafael Schwarz rhetorisch im Titel seines Buches Darf man Juden Ezzes geben? und warnte, wegen gut gemeinter Ratschläge seien »schon Freundschaften auseinandergegangen, wurden Sitzplätze in der Synagoge getauscht oder gar das Kaffeehaus gewechselt«.