Am Eingang gibt es eine Taschenkontrolle – schließlich handelt es sich um eine Veranstaltung mit Israelbezug. Doch an diesem Abend versammeln sich im Berliner Tempodrom nicht die üblichen Verdächtigen aus der Pro-Israel-Szene, sondern Fans des Bestseller-Autors Frank Schätzing (Der Schwarm), der seinen im Frühjahr erschienenen Politthriller Breaking News vorstellen wird.
Und darin schickt Schätzing nicht nur seinen Helden, den Kriegsreporter Tom Hagen, auf eine wilde Jagd durch Israel und das Westjordanland, er erzählt in einem parallelen Handlungsstrang auch noch die fiktionalisierte Lebensgeschichte des verstorbenen Ministerpräsidenten Ariel Scharon.
Der Saal verdunkelt sich, sichtbar ist nur noch das Gesicht des Autors, der die ersten Seiten aus Breaking News vorliest. Die Szene spielt in Afghanistan, begleitet wird Schätzings sonore Stimme von einer Klanginstallation im Surround-Sound, für die gleich fünf Tontechniker sorgen.
Unsichtbare Hubschrauber scheinen durch das Tempodrom zu schwirren, Jeeps lassen ihre Reifen quietschen, bald darauf wähnt man sich inmitten eines orientalischen Schuks mit seinen Marktschreiern und Eseltreibern. Der Autor liest Seite um Seite, und man fragt sich schon bang, ob er im Laufe des Abends etwa seinen gesamten 1000-seitigen Wälzer zum Vortrag bringen will.
Humor Doch dann geht das Licht an, und von da an besteht der größte Teil des Abends aus Schätzings launigen Plaudereien über die Entstehung seines Buches und über Israel. Mit einem Humor, der manchmal eine Spur zu kumpelhaft rüberkommt, aber doch auch mit unleugbarem Charme. Zwischendurch singt immer mal wieder die Sängerin Ofrin – leider ohne ihre Band, die Musik kommt aus dem Rechner – ein Lied in englischer oder hebräischer Sprache, was dem Ganzen ein wenig den Charakter eines bunten Abends verleiht.
Die Idee zu Breaking News kam ihm, erzählt der Autor, als er mit Freunden in einer Kölner Südstadtkneipe über den Nahen Osten und Scharons Rückzug aus dem Gazastreifen parlierte. Schätzing wollte daraufhin einen Verschwörungsthriller schreiben, der auf der Grundidee beruht: Was wäre, wenn Ariel Scharon von seinen politischen Gegnern vergiftet worden wäre, um ihn unschädlich zu machen?
Doch als er sich an die Arbeit machen wollte, merkte er, dass er von Israel eigentlich gar keine Ahnung hatte. Also fing er an, intensiv zu recherchieren und mehrere lange Reisen nach Israel und ins Westjordanland zu unternehmen, teils in Begleitung seines Verlegers Helge Malchow. »Und was ich dort erlebt habe, hat alles auf den Kopf gestellt, was ich über die Region zu wissen glaubte. Fahren Sie dort einmal hin, und Sie werden merken, dass es kein Schwarz oder Weiß gibt«, rät Schätzing dem staunenden Publikum.
Empathie Obwohl er in seinen Ausführungen aus seiner Abneigung gegen die israelische Siedlungspolitik kein Hehl macht, wirbt Schätzing doch vor allem um Verständnis und Empathie für die Israelis (und für jene Palästinenser, die sich lieber dem Streben nach Wohlstand als dem Dschihad gegen den jüdischen Staat widmen).
So erklärt er, dass die berüchtigte Sperranlage tatsächlich die Zahl der Terroranschläge erheblich gesenkt hat, dass die Hamas den letzten Gaza-Krieg durch ihre Kassamraketen provoziert hat; er erzählt von religiösen Siedlern im Westjordanland, die mit ihren palästinensischen Nachbarn gemeinsam gegen den Verlauf der Trennmauer geklagt haben, und von Geschäftsleuten in Nablus, die einfach nur mit ihren israelischen Partnern Handel treiben möchten. Und da das Publikum, wie gesagt, nicht aus bereits Überzeugten besteht, betreibt Frank Schätzing an diesem Abend Aufklärung im besten Sinne.