Zu Chanukka wünsche ich mir dieses Jahr etwas Besonderes: keine Trump-Jerusalem-Debatte mehr. Es nervt allmählich. Zumal das Szenario das gleiche ist wie schon bei gefühlt Hunderten Nahostdiskussionen vorher: In oder wegen Israel passiert etwas.
Prompt meldet sich jeder, der schon mal von der Gegend gehört hat, zu Wort und gibt seinen Senf dazu. Tut nichts zur Sache, dass die meisten, die sich so leidenschaftlich äußern, Israel wahrscheinlich im Atlas nicht finden würden oder, wie die ZDF-»heute«-Nachrichten vorige Woche, Abbas mit Arafat verwechseln.
»Nahostexperten« Der Überzeugung tut das keinen Abbruch, im Gegenteil. Nicht fehlen darf dabei natürlich auch eine kritische jüdische Stimme, in diesem Fall die eines abgebrochenen Rabbinatsstudenten, der bei der Deutschen Welle als Nahost- und USA-Experte auftritt. Um ein amerikanisches Sprichwort unanstößig zu übersetzen: Meinungen sind wie rektale Körperöffnungen: Jeder hat eine. Und oft kommt auch dasselbe heraus.
Das wäre nicht weiter schlimm, wenn nicht von unsereins auch noch erwartet würde, dass wir zu diesen Auswürfen Stellung beziehen: »Und was sagst du dazu?« Formal ist das ein Fragesatz, tatsächlich eine Anklage. Erwartet wird nicht eine Antwort, sondern eine Distanzierung oder schuldbewusstes Auf-den-Boden-Blicken. Wer naiverweise trotzdem versucht, sachlich darauf einzugehen und die Komplexität der Materie zu erläutern, erntet meist nur weitere Vorwürfe: »Mit dir kann man nicht reden.« Will ich mit euch auch schon lange nicht mehr.
Ich habe auch keine Lust auf arabische Folklore-Aufführungen am Brandenburger Tor und in Berlin-Neukölln, bei der die Teilnehmer, in malerische Gewänder aus der Heimat gehüllt, traditionelle Stammestänze aufführen, zu exotischen Gesängen wie »Khaybar, Khaybar, ya yahud, jaish Muhammad sayud« – »Juden, erinnert euch an Khaybar, die Armee Mohammeds kommt wieder!« (Khaybar war der islamischen Legende nach eine von Juden besiedelte Oase auf dem Gebiet des heutigen Saudi-Arabien, die im Jahr 628 n.d.Z. von Mohammed und seiner Armee erobert wurde. Viele der Bewohner wurden massakriert, ihre Frauen und Kinder versklavt. Die Überlebenden mussten als Schutzgeld die Hälfte dessen, was sie produzierten, an die Muslime abgeben.)
Cousins Nichts gegen Traditionspflege. Aber es gibt ausreichend palästinensische Kulturvereine, oft aus öffentlichen Mitteln großzügig gefördert, in deren Räumlichkeiten unsere abrahamitischen Cousins ihr Brauchtum pflegen können, ohne andere dabei zu stören. Wir führen ja auch kein Purimspiel vor der iranischen Botschaft auf. (Obwohl das mal eine aparte Idee wäre.)
Aber ich wollte ja kein Wort mehr zu Trump und zu Jerusalem verlieren. Außerdem habe ich andere Probleme: Weiß jemand zufällig, wo ich noch Chanukkakerzen bekomme? Vor lauter politischer Aufregung bin ich nicht dazu gekommen, welche zu kaufen. Die ich noch habe, reichen nur bis zum vierten Tag. Und auf ein Wunder will ich lieber nicht vertrauen.