Zeitzeugin

»Eine der beeindruckendsten Begegnungen überhaupt«

»Ich tue es für euch« - so lautet der Titel des neuen Buches der Holocaustüberlebenden Margot Friedländer, das heute erschienen ist. Im November feiert Friedländer ihren 100. Geburtstag. In der Schoa verlor die gebürtige Berlinerin ihre Eltern, den Bruder und zahlreiche Verwandte. Die Nazis ermordeten die Familie der damals jungen Frau.

15 Monate lang versteckte sie sich im Untergrund, ließ sich sogar ihre »jüdische Nase« operieren, um nicht aufzufallen. Am Ende wurde sie aber doch verraten und aufgespürt.

HEIMKEHR Nach ihrer Befreiung aus dem KZ Theresienstadt wanderte sie gemeinsam mit ihrem Mann Adolf in die USA aus. Mit 88 beschloss die mittlerweile verwitwete Friedländer aber, nach mehr als sechs Jahrzehnten in New York, wieder in ihre Heimatstadt Berlin, deren Ehrenbürgerin sie mittlerweile ist, zurückzukehren.

Zweite Gesprächspartnerin in dem bei Gräfe und Unzer verlegten Buch ist die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser (FDP), die seit einigen Jahren als Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen fungiert. Moderiert wurde das in Interviewform gefasste Gespräch der beiden Frauen von dem Bochumer Journalisten und Eventmanager Sascha Hellen. »Er hat die richtigen und wichtigen Fragen gestellt, danke dafür,« sagte Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, anlässlich der Vorstellung des Buches am Mittwoch lobend über Hellen.

Auch andere Prominente hatten sich eingefunden, um Friedländer und Leutheusser-Schnarrenberger zu würdigen. Jeremy Issacharoff sagte, sein Zusammentreffen mit Margot Friedländer sei »eine der beeindruckendsten Begegnungen überhaupt« in seiner bisherigen Amtszeit als israelischer Botschafter in Deutschland gewesen. Selbiges gelte für Friedländers Buch.

VERANTWORTUNG Und noch einer war ins Gebäude der Bundespressekonferenz gekommen: Armin Laschet. Der CDU-Parteichef, Kanzlerkandidat und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hielt das Buch während seiner Rede aufgeschlagen in der Hand und zitierte mehrfach daraus. Er bezeichnete das Werk als ein »Buch von Verantwortung, Haltung und Hoffnung«, das auch deshalb eine große Verbreitung verdiene, weil es gut lesbar sei und die Dinge auf den Punkt bringe. Laschet sagte, es sei eine »große Anerkennung, aber auch Verpflichtung« für Deutschland, dass sich Margot Friedländer zur Rückkehr in ihre alte Heimat entschlossen habe.

Auch über Leutheusser-Schnarrenberger äußerte sich Laschet positiv. Die 70-jährige gebürtige Mindenerin zeichne sich durch ihre Freiheitsliebe aus. Als Justizministerin trat sie in den 1990er-Jahren wegen des großen Lauschangriffs aus dem Kabinett Kohl zurück. »Rücktritte sind ein wenig aus der Mode gekommen, aber es war ein bemerkenswertes Zeichen, selbst zu sagen, das widerspricht meiner Überzeugung«, sagte Laschet über die Antisemitismusbeauftragte.

Der Angriff auf einen Kippaträger in Köln vor elf Tagen zeige, dass Wachsamkeit in Bezug auf Judenhass weiterhin erforderlich sei. Margot Friedländer nannte er »eine der letzten Überlebenden, die noch von der Schoa erzählen können«. Man müsse deshalb für künftige Generationen neue Formen des Erinnerns entwickeln, forderte der CDU-Chef.

Er ging auf Nachfrage Hellens auch auf seine Erfahrungen in der Jugend im Umgang mit dem Holocaust ein. »Zuhause hat das bei uns keine große Rolle gespielt«, sagte er. Als seine Eltern ihn aber im Alter von 18 Jahren mit nach Israel genommen hätten, habe sich das schlagartig geändert.

GESCHICHTE Laschet konkretisierte auch Angela Merkels Wort von Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson. Das sei bei manchen ein bloßes Lippenbekenntnis. Wenn er Bundeskanzler werde, müsse das bei praktischen Einzelentscheidungen mitbedacht und durchgesetzt werden.

Auch Einwanderer und Neubürger müssten sich zur deutschen Geschichte bekennen und als Teil ihrer Verantwortung begreifen. »Wer Deutscher wird, muss wissen, dass diese Verantwortung - der Kampf gegen Antisemitismus - auch immer mit seiner Person verbunden ist.«

Laschet zitierte auch Friedländers Worte aus dem Buch: »Ein jeder von uns hat Verantwortung, ob Jung oder Alt. Wir können nur gemeinsam etwas erreichen, das habe ich im Laufe meines Leben erkannt, wir dürfen uns nicht immer nur ausruhen und mit dem zufrieden geben, was wir haben. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir uns auch einbringen. Trotz allem, was mir widerfahren ist, bin ich Optimistin geblieben.« Schöner, so der NRW-Ministerpräsident, könne man das nicht formulieren.

Von Sascha Hellen im Buch gefragt, ob sie den Deutschen »vergeben« könne, antwortet Friedländer: »Ich muss Deutschland nicht vergeben. Die, die mir Leid zugefügt haben, sind gar nicht mehr da.« Ohne die Hilfe von Deutschen hätte sie selbst gar nicht überleben können.

Serie

»Inglourious Basterds«-Star spielt in »Fauda« mit

Sicher ist, dass die fünfte Staffel von »Fauda« kommt. Unsicher ist noch, welche Rolle die Französin spielen wird

 15.04.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 17. April bis zum 1. Mai

 15.04.2025

Graphic Novel

»Lodzia und Marysia« erzählt Geschichte von Schoa-Überlebenden

Das Buch widmet sich dem Leben von Leokadia Justman und ihrer Freundin im Nationalsozialismus. Verfolgung, Flucht und Mut stehen im Mittelpunkt dieses außergewöhnlichen Comics.

 15.04.2025

Europa

Spanien stellt Teilnahme Israels am Musikwettbewerb ESC infrage

Beim Eurovision Song Contest soll es eigentlich um Musik gehen. Doch die Politik spielt immer öfter mit hinein. Aktuell droht eine neue Debatte um Israel. Grund ist der Krieg im Gazastreifen

 14.04.2025

Geistesgeschichte

»Wirklicher Liberalismus«

Die Biografie des Politikwissenschaftlers Adolf Grabowsky zeigt exemplarisch, warum Konservatismus und Fortschritt keine Gegensätze sein müssen

von Matthias Oppermann  14.04.2025

Interview

Günther Jauch: Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  11.04.2025

UNESCO

Talmud-Handschrift zu Weltdokument ernannt

Das Weltdokumentenerbe vereint Buchbestände, Handschriften, Partituren, Bild-, Ton- und Filmaufnahmen von außergewöhnlichem Wert für die Menschheitsgeschichte

 11.04.2025

10. Todestag

Zwischen Erinnerung und Engagement: Günter Grass heute

Literarisch brachte er es zu höchsten Ehren, politisch war er ein kritischer Wegbegleiter der Bundesrepublik, aber auch ein gescheiterter Moralist. Ein Zeitzeuge erinnert sich an Günter Grass als verlässlichen Freund

von Klaus Blume  11.04.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  11.04.2025