Frau Galliner, das 26. Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg findet unter Corona-Bedingungen statt: sowohl in ausgewählten Kinos als auch online. Wie wirkt sich diese »Hybrid«-Version aus?
Jedes Jahr nach Festivalende bekomme ich Anfragen von Leuten, wie sie unsere Filme sehen können. Das war bisher nicht möglich, denn die meisten Filme haben weder einen Verleih noch werden sie im Fernsehen gezeigt. Dieses Jahr sind fast alle Filme online zu sehen. Das ist großartig.
Das Online-Angebot ist sogar von Vorteil wegen einer höheren Reichweite?
Für uns ist das Online-Format eine Riesenchance. Alle Zuschauer in Deutschland können unsere Filme online sehen. Dabei unterstützt uns auch der Zentralrat sehr, der alle Gemeinden über das Festival informiert.
Gab es auch Bedenken von Filmemachern?
Natürlich wollen gerade die internationalen Produktionen sichergehen, dass die Online-Filme nicht kopiert werden können. Das können wir garantieren, denn wir arbeiten mit einer sehr renommierten Firma zusammen.
War die Filmauswahl bereits getroffen, als Corona begann? Das JFBB präsentiert mit 44 nationalen und internationalen Produktionen wieder ein vielseitiges Programm.
Die Filmauswahl beginnt, wenn das letzte Festival zu Ende geht. Das Gerüst stand lange vor Corona. Ziemlich bald gab es Überlegungen zu einem Online-Festival; im Mai teilten uns unsere Förderer mit, dass die Eröffnungsgala ausfallen wird. Je näher der September kam, umso klarer wurde, dass aber auch in Kinos Filme wieder gezeigt werden können. Wir entschieden uns bewusst für kleine, unabhängige Kinos, um sie zu unterstützen, so das City Kino Wedding. Dort zeigen wir in Anwesenheit des israelischen Botschafters Jeremy Issacharoff als Eröffnungsfilm den israelischen Spielfilm »Incitement« über den Mörder von Yitzhak Rabin.
Ein sehr politischer Film.
Ja, denn wir sind auch ein politisches Festival. »Incitement« von Yaron Zilberman ist kein klassischer Eröffnungsfilm. Ich habe ihn ausgesucht, weil er große Aktualität für uns hat. Nach Halle ist dieser Film auch für Deutschland relevant. Denn er zeigt eines sehr deutlich: Es gibt keine Einzeltäter.
Was sind weitere Tipps?
Wir haben wunderbare israelische Dokumentarfilme, etwa »There Are No Lions in Tel Aviv« über die Geschichte des Zoos von Tel Aviv oder den ungarischen Spielfilm »Those Who Remained«, der 2019 bei den Oscars eingereicht wurde.
Gibt es auch Filmgespräche?
Ja, sogar zu jedem Film – weil man online jeden erreichen kann. So etwa mit einer australischen Regisseurin. Ohne die Online-Option hätte es diese Möglichkeit nicht gegeben. So viel steht jetzt schon fest: Einen Teil des Online-Angebots werden wir wohl auch in Zukunft beibehalten.
Mit der Leiterin des Jüdischen Filmfestivals sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.