Doku

Eine Frau namens Hoffnung

Sie sagt die unglaublichsten Sachen mit einem Lächeln so voller Leichtigkeit, dass es einen fast aus dem Kinosessel hebt. Marthe Cohn ist eine zierliche Frau mit schneeweißem Bob und einem fein gezeichneten Gesicht, das eigentlich immer strahlt.

WIFI Nur als das Wifi im Hotel nicht funktioniert, wird die heute 99-Jährige ungeduldig und streckt die Zunge heraus. Zusammen mit ihrem Mann, Major Cohn, ist sie auf Reisen, wie immer in den vergangenen 20 Jahren. Sie reist um die Welt, um vor allem jungen Menschen davon zu berichten, wie man dem Bösen entkommt und wie man es erfolgreich bekämpft.

Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde heißt der Dokumentarfilm der Regisseurin Nicola Alice Hens, die Marthe Cohn auf ihren Reisen begleitet hat und die endlich die Geschichte der 1920 als Marthe Hoffnung in Metz geborenen Frau fürs Kino erzählt. Die Geschichte einer jungen Frau, die in der schwersten Zeit größten Mut bewiesen hat, als sie im Land der Massenmörder spionierte, was den Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland mindestens beschleunigte. Cohn ist eine Heldin.

Orden Dabei wussten nicht einmal ihre eigenen Kinder von den Heldentaten der mittlerweile mit höchsten militärischen Ehren und Orden ausgezeichneten Mutter. Fast 60 Jahre lang hat Marthe Cohn geschwiegen, darüber, wie sie nach dem Einmarsch der Deutschen alles tat, um ihre und andere jüdische Familien zu retten; darüber, dass ihre Schwester Stéphanie in Auschwitz ermordet und dass ihr Verlobter gefoltert und getötet wurde, und auch darüber, wie sie sich freiwillig zum militärischen Geheimdienst meldete.

Es war nach einem Aufruf von Steven Spielbergs »Shoah Foundation«, die Zeitzeugen suchte, als Cohn ihr Schweigen brach. Im Jahr 2002 erschien ihre Autobiografie Im Land des Feindes: Eine jüdische Spionin in Nazi-Deutschland. Das Buch fand auch international viele Leser – und begeisterte die Kritik.

»Ein Zeugnis für den Mut einer jungen Frau, die abseits ihres persönlichen Schicksals selbstlos für die Rettung eines ganzen Volkes eintrat«, schrieb Sharon Adler. »Eine Geschichte vom Überwinden der Furcht für ein größeres Ziel«, hieß es im Deutschlandfunk. Im Land des Feindes ist eines dieser Bücher, die nicht nur stark sind, sondern stärker machen.

Wille Und auch Hens’ Film erzählt von dieser fragilen Frau mit dem starken Herzen und Willen von damals und heute. Sie setzt beiden ein Denkmal, und das wortwörtlich. Chichinette (»Kleine Nervensäge«) regt zum Nachdenken über die Frage an, was der einzelne Mensch tun kann, wenn Unmenschlichkeit und Hass die Macht übernehmen. Wie man sieht, kann er sogar dabei helfen, die Schlacht zu entscheiden.

»Ich hatte keine Zeit, Angst zu haben. Ich war auch erfolgreich, weil niemand so einem kleinen Ding wie mir zutraute, eine Spionin zu sein«, sagte Marthe Cohn einmal in einem Interview. »Der Krieg musste beendet werden. Je mehr Informationen ich sammeln konnte, desto schneller konnte das passieren. Dafür war ich bereit, mein Leben zu riskieren. Ich hatte großes Glück – wie immer in meinem Leben. Ich fand sehr wichtige Informationen.«

Nicht besonders hilfreich, um nicht zu sagen beeindruckend unangebracht, war allerdings die Entscheidung der Hofer Filmtage, Chichinette einen Kurzfilm voranzustellen, der von einem jungen Wehrmachtssoldaten handelt, der als Motorradbote im besetzten Frankreich unterwegs ist und der für seine papierne Fracht alles tut. Eben einer dieser Soldaten, die Marthe Cohn ihre Existenz und Familie genommen haben.

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