Frankfurt am Main

»Ein wunderschönes Haus«

Symbolische Eröffnung: Museumsdirektorin Mirjam Wenzel, Oberbürgermeister Peter Feldmann, Kulturdezernentin Ina Hartwig und Andreas von Schoeler, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums (v.r.) Foto: imago images/Patrick Scheiber

Nach fünfjähriger Umbauzeit ist am Dienstagabend das Jüdische Museum in Frankfurt am Main mit einem Festakt wiedereröffnet worden. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sprach von einem Tag der Freude für die Jüdische Gemeinde, die Stadt, das Land Hessen, Deutschland und die Welt.

Die Öffnung sei »ein starkes Signal dafür, dass jüdisches Leben in den Mittelpunkt rückt«, sagte Bouffier bei dem Festakt in der Alten Oper. Das 1988 gegründete Museum sei durch den Erweiterungsbau »auf grandiose Art und Weise« weiterentwickelt worden.«

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»Wer Judentum in Deutschland verstehen will, kommt an Frankfurt und den Frankfurter Juden nicht vorbei«, sagte Bouffier. »Wir wollen, das jüdisches Leben präsent ist in unserem Land, nicht versteckt, nicht heimlich, nicht nebenbei, sondern selbstbewusst und erfahrbar.«

Die in Frankfurt geborene Schriftstellerin Gila Lustiger hielt die Festrede. Dazu wurde die Tochter des Historikers Arno Lustiger (1924-2012) per Videostream aus Paris zugeschaltet. Sie freue sich über »dieses wunderschöne, sehr beeindruckende Haus« und das dahinter stehende Konzept der Offenheit und der Transparenz, sagte die Autorin. Das Museum sei zwar kein Mahnmal, aber nichtsdestoweniger eine Narbe, die auf den Zivilisationsbruch der Schoa verweise.

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Die Wiedereröffnung des sanierten Rothschildpalais und des Neubaus »erscheint mir wie das Leuchten aus einer längst vergangenen Zeit«, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, Salomon Korn, und erinnerte an das erste Jüdische Museum in der Stadt, das 1922 eröffnet und in der NS-Zeit zerstört worden war. Die Eröffnung des ersten kommunalen Jüdischen Museums in der Bundesrepublik 1988, des Museums Judengasse 1992 und des Erweiterungsbaus in diesem Jahr »waren und sind Ausdruck des Vertrauens der Jüdischen Gemeinde in den deutschen Rechtsstaat«, sagte Korn.

Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) betonte die Weltoffenheit der Stadt Frankfurt, in der Menschen aus 179 Nationen lebten. Hier fragten Lehrerinnen und Lehrer nicht nach der Herkunft ihrer Schüler, sondern danach, »ob sie die Hausaufgaben gemacht haben«. Auch jüdisches Leben in Frankfurt sei nichts anderes, »als ein Blatt, das so schillert, wie ganz Frankfurt schillert«. Und damit sei jüdisches Leben vor allem eines: »Unsere Normalität, die wir verteidigen gegen Rassismus und Antisemitismus, gegen Hass und Hetze«, sagte Feldmann.

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Für das Publikum öffnet das Museum an diesem Mittwoch nach rund fünf Jahren Bauzeit die Türen seines Neubaus und des sanierten Rothschild-Palais. Es verfügt über insgesamt 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche und zeigt die jüdische Geschichte Frankfurts von Aufklärung und Emanzipation bis zur Gegenwart in einer neuen Dauerausstellung.

AUSSTELLUNGEN Die erste Wechselausstellung »Die weibliche Seite Gottes« wird von Freitag an öffentlich gezeigt. Daneben beherbergt das Gebäude ein Foyer, einen Veranstaltungsraum, eine öffentliche Bibliothek mit Lesesaal, ein koscheres Café und einen Laden, Werkstätten, Büros und das Archiv.

Im Rothschild-Palais wird die erweiterte und neu konzipierte Dauerausstellung auf drei Etagen über mehr als 1400 Quadratmetern gezeigt. Das erste Obergeschoss erzählt die Geschichte von drei Frankfurter Familien über drei Generationen hinweg, die der Bankiersfamilie Rothschild, der bürgerlichen Kaufmannsfamilie Frank, aus der die Tagebuchschreiberin Anne Frank (1929-1945) stammt, und der aus Osteuropa stammenden Familie des Kommunisten Valentin Senger.

Die zweite Etage widmet sich der Wandlung der jüdischen Tradition in eine moderne Religion. Im Zentrum steht die Pracht der jüdischen Zeremonialkultur, an einer interaktiven Videoinstallation beantworten fünf Rabbiner und eine Rabbinerin Fragen.

Für Kinder gibt es Stationen zum Anfassen und ein Mitmachheft, das neue »Studio Alef« dient als Ort für kreatives Werken und Kochen.

Die dritte Etage beschreibt die jüdische Nachkriegsgeschichte bis zur gegenwärtigen Alltagskultur mit ihrer Vielfalt an Lebensentwürfen. Illustriert wird, wie Juden nach der Aufhebung der Ghettoisierung vor 200 Jahren das kulturelle Leben, das Bildungs- und Gesundheitswesen, die sozialen und politischen Veränderungen und die wissenschaftliche Forschung in Frankfurt geprägt haben. Die Entrechtung und Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus wird anhand einzelner Lebensläufe anschaulich gemacht.

ANNE FRANK Der letzte Raum der Ausstellung zeigt Objekte und Dokumente aus dem Besitz der Familie von Anne Frank. Die nach Angaben des Museums weltweit erste Präsentation von Alltagsgegenständen, Möbeln, Gemälden, Briefen und Fotos gibt einen Einblick in die familiäre Kultur des bekanntesten Opfers der Schoa.

Der Vetter von Anne Frank und ehemalige Präsident des Anne-Frank-Fonds Basel, Buddy Elias (1925-2015), gründete 2012 zusammen mit dem Jüdischen Museum das dort angesiedelte Familie-Frank-Zentrum. Es bewahrt rund 1000 Erinnerungsgegenstände der Frankfurter Familie aus vier Jahrhunderten.

An der Verbindung von Alt- und Neubau wurde im September 2019 eine elf Meter hohe und 1,8 Tonnen schwere Skulptur des israelischen Künstlers Ariel Schlesinger installiert.

Die Ausstellung zeigt neben persönlichen Aufzeichnungen, Fotografien, Gemälden, historischen Dokumenten, Alltagsgegenständen und religiösen Objekten auch Filmstationen, mediale Rauminszenierungen und interaktive Video-Installationen. Für Kinder gibt es Stationen zum Anfassen und ein Mitmachheft, das neue »Studio Alef« dient als Ort für kreatives Werken und Kochen.

Zwischen dem Neubau und dem Rothschild-Palais, dem 1821 errichteten Familiensitz der jüdischen Bankiersfamilie, ist ein neuer Museumsplatz entstanden. Er trägt den Namen der österreichisch-deutschen Frauenrechtlerin und Gründerin des Jüdischen Frauenbundes, Bertha Pappenheim (1859-1936), und ist die neue Adresse des Museums.

BÄUME An der Verbindung von Alt- und Neubau wurde im September 2019 eine elf Meter hohe und 1,8 Tonnen schwere Skulptur des israelischen Künstlers Ariel Schlesinger installiert. Sie besteht aus zwei in Aluminium gegossenen Bäumen, von denen der eine im Boden wurzelt und den anderen - entwurzelten - in der Baumkrone trägt.

Das Jüdische Museum Frankfurt war am 9. November 1988, dem 50. Jahrestag des Novemberpogroms, vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) eröffnet worden. 2015 beschloss die Stadt einen Erweiterungsbau, noch im Winter desselben Jahres begannen die Bauarbeiten. epd/kna/ja

Lesen Sie mehr über dieses Thema in unserer Ausgabe am Donnerstag.

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