Frau Musielak, Ihre Dokumentation »Miss Holocaust« wird diese Woche auf der Berlinale in der Kategorie »Kurzfilm« gezeigt. Welche Geschichte erzählt der Film?
Es geht um einen Schönheitswettbewerb in Haifa, an dem nur Schoa-Überlebende teilnehmen können. Obwohl es eine kontroverse Idee ist, melden sich jedes Jahr 300 Frauen zum »Miss Holocaust«-Wettbewerb an. Die Frauen wollen ein Zeichen setzen: Wir haben über den Tod und über Hitler gesiegt! Wir sind noch am Leben. Und wir feiern das Leben.
Wie sind Sie an das ungewöhnliche Thema herangegangen?
Für meinen Film habe ich vier Schoa-Überlebende begleitet. Mich hat vor allem interessiert, was und wie sie heute über die Geschichte sprechen. Mein Fokus war die Gegenwart, nicht die Vergangenheit. Rein praktisch waren die Arbeiten sehr aufwendig: Es hat lange gedauert, um alle Genehmigungen zu bekommen. Aber danach durften wir als erstes Filmteam hinter die Kulissen blicken. Wir waren bei mehreren Etappen dabei, begleiteten die Jury, konnten ohne Einschränkungen filmen.
»Miss Holocaust« ist sehr persönlich angelegt. Wie war der Kontakt zwischen Ihnen und den Teilnehmerinnen?
Ich freundete mich mit den Frauen schnell an. Wir scherzten und sprachen Polnisch, weil viele in Polen geboren wurden. Zu einigen Teilnehmerinnen habe ich immer noch engen Kontakt. Mich hat überrascht, wie schön und wie positiv die Frauen trotz ihres Alters und Schicksals waren. Wir haben auch viel gelacht.
Wodurch sind Sie auf den Schönheitswettbewerb aufmerksam geworden?
Das war ein großer Zufall. Ich bin als Stipendiatin des Jüdischen Museums Warschau nach Israel gekommen. Dort wollte ich mit Gleichaltrigen über die polnische Geschichte sprechen. Das hat sie aber wenig interessiert – deshalb wandte ich mich an die ältere Generation. So landete ich zufällig im Haus der Stiftung, die »Miss Holocaust« organisiert. Als ich von dem Wettbewerb hörte, wusste ich: Darüber mache ich einen Film!
Waren Sie sehr überrascht, als die Berlinale Ihnen mitteilte, den Film zeigen zu wollen?
Es war eine riesige Überraschung. Eigentlich wollte ich die Berlinale als Zuschauerin besuchen. Ich bin 26, studiere in Berlin und habe gehofft, mit dem Studentenausweis günstiger ins Kino zu kommen. Ich konnte es kaum glauben, als ich erfuhr, dass wir auf der Liste sind. Die Berlinale war ja das erste Filmfestival, bei dem ich das Werk eingereicht habe.
»Miss Holocaust« ist Ihr erster Film. Wie geht es nun weiter?
Mein Vater, ein ehemaliger Leistungssportler, sagte zu mir nach der Berlinale-Zusage: Die Berlinale ist wie jeder Wettbewerb – man sollte versuchen zu gewinnen (lacht). Aber im Ernst: Es ist erst der Anfang. Ich will den Film auf möglichst vielen Festivals zeigen. Ich möchte mit »Miss Holocaust« zum Nachdenken anregen. Wir sollten uns bewusst machen, dass die Geschichte noch Gegenwart ist.
Mit der polnischen Regisseurin sprach Agnieszka Hreczuk.