Die Vergabe des Literaturnobelpreises an Annie Ernaux löst wegen ihrer politischen Haltung bei jüdischen Organisationen in Deutschland große Irritationen aus.
»Die Auszeichnung von Annie Ernaux mit dem Literaturnobelpreis ist ein Rückschlag für den weltweiten Kampf gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.
Das literarische Werk der Französin könne und wolle er nicht beurteilen, aber die Auszeichnung gehe in ihrer Wirkung weit über die Fachwelt hinaus.
Ernaux wird etwa eine Nähe zur in Zielen und Handlungen antisemitischen BDS-Bewegung vorgeworfen. Kurz nach der Bekanntgabe des Nobel-Komitees am vergangenen Donnerstag waren in der israelischen Presse Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Autorin laut geworden. Die 82-Jährige selbst nahm dazu keine Stellung.
Ernaux hat unter anderem 2018 zusammen mit 80 Kultur- und Kunstschaffenden, darunter der vor kurzem gestorbene Filmemacher Jean-Luc Godard, zum Boykott der Kultursaison »Frankreich-Israel« aufgerufen und 2019 zum Boykott des Eurovision Song Contests in Tel Aviv.
»Annie Ernaux‹ überzeugte Unterstützung der BDS-Bewegung, ihre öffentliche Dämonisierung Israels als einen »Apartheidstaat« oder ihre Forderung der Freilassung eines libanesischen Terroristen und Mörders sind keine Ausrutscher einer politisch unbedachten Schriftstellerin, sondern Ausweis einer klar antisemitischen Haltung«, sagte Schuster.
»Das Signal, das von diesem Nobelpreis ausgeht, ist für Jüdinnen und Juden auch in Deutschland gerade nach der skandalösen documenta äußerst verstörend«, so Schuster weiter.
Der geschäftsführende Vizepräsident des Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sagte: »Es ist mehr als schade, wenn sich eine große Schriftstellerin in der gehässigen und einseitigen Welt des Israel-Hasses und des damit einhergehenden Antisemitismus verliert und so ihr literarisches Werk konterkariert. Sie wird bei ihrer Nobelpreis-Rede Gelegenheit haben, sich hierzu zu erklären und die Grenzen ihrer Vorurteile zu überschreiten. Das ist sie ihren Leserinnen und Lesern, nicht nur in Israel, schuldig.« dpa/ja
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