Glosse

Ein rauschendes Fest

Mazel tov! Glück multipliziert sich, wenn man es teilt. Foto: Andrea Kiewel

Waren Sie schon mal auf einer Hochzeit, auf der Sie niemanden kennen? Also weder Braut noch Bräutigam? Auch nicht deren Eltern, Freunde oder die anderen rund 300 Gäste? Oh, ich hatte dieses Erlebnis, und es war großartig.

Ein Freund, dessen Freund heiratete, nahm mich mit in den Süden Tel Avivs, wo die Bürgersteige holprig sind wie das Kopfsteinpflaster in der Mainzer Augustinergasse und die Straßen vor allem aus Schlaglöchern statt aus Asphalt bestehen. Und mitten in diesem Konglomerat aus kleinen, renovierungsbedürftigen Häusern, heruntergekommen Fabrikhallen und 70er-Jahre-Bauten, die ihre beste Zeit schon lange hinter sich haben und nun von Künstlern genutzt werden, ist dieser eine magische Ort, an dem verliebte Menschen »Ja« zueinander sagen. In Anwesenheit ihrer Familien und Freunde – und mit mir. Amen. Ein »Plus 1« war ich schon lange nicht mehr, aber wie hätte ich nach 19 Jahren Israel »Nein« sagen können zu meiner ersten Hochzeit eines israelischen Paares?

Der Rabbi moderiert das Paar und uns Gäste durch die Trauung wie Thomas Gottschalk in seinen besten »Wetten dass …«-Zeiten.

häppchen Cocktails und Häppchen verkürzten die Wartezeit bis zum Eintreffen des Brautpaares. Und dann wird die Musik lauter, alle springen auf, bilden eine lange Gasse und klatschen, weil die stolzen Eltern ihren Sohn zur Chuppa begleiten. Musikwechsel, die Braut kommt. Im Song, der ihren Gang durch die jubelnden Gäste begleitet, geht es um Liebe und Vertrauen und darum, dass sie sich sicher ist, dass er der Richtige sein wird für gemeinsame Kinder und ein Leben voller Liebe und Respekt. Ja, ich musste heimlich weinen, vor allem, als ihr der Bräutigam ein paar Schritte entgegenläuft, um ihr wunderschönes Gesicht mit dem Schleier zu bedecken.

Der Rabbi moderiert das Paar und uns Gäste durch die Trauung wie Thomas Gottschalk in seinen besten »Wetten dass …«-Zeiten, wir rufen »Amen« und singen und feiern. Sie und ihn und die Liebe und die Hoffnung, dass sich daran niemals etwas ändern wird. Kaum ist das Glas zertreten und der Ring auf den Zeigefinger gesteckt, drängen alle zur Chuppa, um die Braut und den Bräutigam zu beglückwünschen.

Selten war ich schüchterner als in diesem Moment, denn spätestens jetzt werden alle bemerken, dass ich ein »Plus 1« bin, die Freundin, die mitgenommen wurde zu einer Hochzeit, auf der sie niemand kennt und auf der auch sie niemanden kennt.

küsschen Küsschen links, Küsschen rechts, Mazel tov, Good Luck, und ich wäre nicht ich, fiele mir in einem solchen Moment nicht eine absurde Geschichte ein: Was wäre, wenn ein unbekannter Gast, nennen wir ihn Mister X, den eine Freundin als ihr »Plus 1« mitgenommen hat, der Braut gratuliert, beide schauen sich für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen und wissen: »Oh, sie/er ist die eine/der eine, mit dem ich hätte leben sollen.« Out of the blue? Coup de foudre? Ob es so etwas gibt?

Kaum ist das Glas zertreten und der Ring auf den Zeigefinger gesteckt, drängen alle zur Chuppa.

Wenn ja, bitte umgehend bei mir melden. In meinem Fall bedankte sich der Bräutigam artig für meine Wünsche, er sah mich an, aber ich glaube, er schaute durch mich hindurch, ich war ihm noch nie zuvor begegnet.

Oh, es war ein rauschendes Fest. Glück multipliziert sich, wenn man es teilt. Und wenn lachende, tanzende, glückliche Gäste ein Zeichen sind für eine fröhliche, andauernde Liebe, dann wird dieses Paar stets guter Dinge sein. Und viele Kinder haben. Mazel tov!

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  14.03.2025 Aktualisiert

Ausstellung

Chagalls fantastische Welten in Düsseldorf

Seine bunt-surreale Bildwelt fasziniert Menschen seit Jahrzehnten. Auch die dunkle Seite des jüdischen Malers rückt in den Fokus

 14.03.2025

K20 Kunstsammlung

Ungewöhnliche Werke von Marc Chagall in Düsseldorf zu sehen

Die Ausstellung mit 120 Werken beleuchtet Chagalls Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Armut und Geschlechterrollen

von Nikolas Ender  13.03.2025

Liraz

Das Trillern der Utopie

Die israelische Sängerin ist stolz auf ihre persischen Wurzeln. In Europa kämpft sie mit Konzertabsagen

von Tilman Salomon  13.03.2025

Kino

Der Wandel des »Ka-Tzetnik«

Eine Doku widmet sich dem Schoa-Überlebenden Yehiel De-Nur und seiner Auseinandersetzung mit dem »Planeten Auschwitz«

von Dietmar Kanthak  13.03.2025

Kino

Bonhoeffers Vermächtnis »verfälscht und missbraucht«

In seinem umstrittenen Film stilisiert der amerikanische Regisseur Todd Komarnicki den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer zu einer Erlöserfigur im Kampf gegen den nationalsozialistischen Terror

von Raimund Gerz  13.03.2025

Rechtsextremismus

Braune Musik verbreitet Hass: Rechtsrock in Deutschland

Rechtsextreme Musik trifft bei etlichen auf offene Ohren. Beobachter warnen: Die Rechtsrock-Szene blüht. Und sie kann ein »Türöffner« sein für rechtsextremistische Ideologien

von Alexander Lang  13.03.2025

Aufgegabelt

Hamantaschen mit Mohn

Rezepte und Leckeres

 13.03.2025

Pädagogik

Sicherheit vermitteln

Welche Herausforderungen der 7. Oktober mit sich bringt: Religionslehrer suchen Antworten auf schwierige Fragen beim jährlichen Treffen an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

von Ayala Goldmann  14.03.2025 Aktualisiert