Nachruf

Ein Mann wie Urgestein

Mark Aizikovitch sel. A. Foto: Stephan Pramme

Mark Aizikovitch ist tot. Unvorstellbar. Ein Mann wie Urgestein, groß, gewaltig, raumfüllend. Ein vollbärtiger Riese mit tiefem Bass, der mal komisch, mal brüllend, dann wieder leise und nachdenklich daherkam – ein Vollblutschauspieler und
-sänger eben.

Am 21. Juli 1946 in Poltawa in der Ukraine als jüngstes von vier Geschwistern geboren, kam Mark Aizikovitch nach einem Studium am Konservatorium in Charkow und einer bereits damals eindrucksvollen Karriere als Sänger, Bandleader und Mime 1990 mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen aus Moskau nach Berlin.

Hier avancierte der Künstler schnell zum Liebling der Klezmer- und Jiddisch-Szene, wenngleich er früher, in der Sowjetunion, eher in der Welt der Rockmusik, hin und wieder auch der russischen Romanzen, zu Hause war, mit Vladimir Vissotski auftrat, mit seiner Gruppe »Festival« durch die Lande tourte, Musik für Filme einspielte – ganze 36 sollen es gewesen sein – und auf der Bühne und vor der Kamera stand. Als Quasimodo genauso wie als Eugen Onegin.

emigration In der Emigration und mit vorläufig unzureichenden Deutschkenntnissen jedoch war das Singen zunächst der Schwerpunkt seiner Arbeit. Schnell avancierte er zum Star im gerade gegründeten »Theater in den Hackeschen Höfen«, an dem er zwölf Jahre bis zu dessen Schließung, meist an der Seite der Sängerin Jalda Rebling, spielte und sang.

Schon bald kamen aber auch Angebote aus anderen Städten und Ländern. Er sang den »Tewje« in Holland, aber auch den »Grafen Danilo« in Budapest, trat bei Festivals in Wien und Arad auf und spielte CDs ein, mit Jazz, Rap und Pop zu jiddischen Texten, aber auch mit Liedern für Kinder.

2005 wurde Aizikovitch von der Leserschaft des jiddischen »Forwerts« mit der Auszeichnung »Künstler des Jahres in den USA« geehrt. In einem seiner letzten Programme widmete er sich traditionellen jüdischen Volksweisen aus der dörflichen Welt in der Ukraine – den armen Handwerkern, Bauern, Kutschern und Händlern und ihren heute fast vergessenen Liedern. Mark Aizikovitch komponierte, arrangierte und schrieb aber auch Gedichte – über die Liebe und die Heimatlosigkeit.

Der Künstler engagierte sich in verschiedenen Initiativen gegen Rechtsradikalismus, und er war von 2004 bis 2007 Mitglied des Präsidiums der Repräsentantenversammlung und Vorsitzender des Kulturausschusses der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Mark Aizikovitch verstarb am vergangenen Sonntag in Berlin. Wir trauern mit Marks Familie, seinen Freunden und Fans um einen besonderen Menschen und Künstler. Seine letzte Ruhestätte hat Mark Aizikovitch auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee gefunden. Yehi Sikhro Baruch!

Die Autorin ist Chefredakteurin des »Jüdischen Berlin«.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025