Nüchtern, funktional, auf die Einpferchung und Ermordung von Menschen ausgerichtet: Der Bauhaus-Absolvent Fritz Ertl plante die bauliche Gestaltung des Lagers Auschwitz-Birkenau. Gerade mit seinen am Bauhaus gewonnenen Erkenntnissen half er, das Vernichtungsziel der Nazis zu realisieren.
Funktionale Verwaltungstrakte schuf er in Auschwitz ebenso wie Häftlingsbaracken, die schnörkellos praktisch, rechtwinklig auf Maximalbelegung und Kontrolle ausgerichtet waren. Und Gaskammern mit Ein- und Ausgängen, um eine effiziente Nutzung bei der Ermordung zu garantieren.
Für seine Beteiligung am Mord an 1,5 Millionen Juden im von Deutschen in Polen betriebenen Vernichtungslager Auschwitz wurde Ertl jedoch nie bestraft.
ÖSTERREICH Fritz Ertl kam in der Nähe von Linz als Sohn des Bauunternehmers Josef Ertl zur Welt. Nach dem Studium an der Bundeslehranstalt für Hochbau in Salzburg war er von 1928 bis 1931 am Bauhaus in Dessau und wurde Architekt mit Diplom. Unter anderem besuchte er Vorlesungen über »Abstrakte Formelemente und analytisches Zeichnen« bei Wassily Kandinsky, damals stellvertretender Direktor des Bauhauses.
Anschließend kehrte er nach Österreich zurück, um im väterlichen Betrieb zu arbeiten und seinen »Baumeister« zu absolvieren. Nach dem »Anschluss« Österreichs trat Ertl in die NSDAP und die SS ein. Seit Mai 1940 gehörte er zur SS-Neubauleitung Auschwitz, zuletzt als stellvertretender Leiter.
Fritz Ertl wusste sehr
genau, wofür
seine Bauten dienten
»In Auschwitz war er einer der prägenden Architekten der zutiefst unmenschlichen Lagerarchitektur«, sagt Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz-Komitee. »Noch heute zeugen die ursprünglich als Ställe für 52 Pferde geplanten hölzernen Unterkunftsgebäude im Lager Birkenau von seiner architektonischen Skrupellosigkeit. In diesen Gebäuden mussten zeitweise mehr als 750 Menschen vegetieren.«
Obwohl seit 1961 in Österreich Ermittlungen liefen, wurde Ertl, der den Rang eines SS-Untersturmführers bekleidete, erst 1972 zusammen mit einem anderen Auschwitz-Architekten in Wien angeklagt – und recht schnell freigesprochen. Die beiden SS-Architekten seien nicht die »Urheber der Gaskammern« gewesen, urteilte das Gericht.
Eine Bestätigung für Fritz Ertl, der sich nicht schuldig fühlte. Dabei hatte die damalige Anklageschrift recht präzise die Bedeutung der bauplanerischen Arbeit von Ertl beschrieben: »Ihre Bautätigkeit war von vornherein auf ein kurzfristiges Vegetieren der Häftlinge ausgerichtet und stellte eine Verhöhnung der elementaren Grundsätze der Bautechnik dar.«
SCHLECHTE GESELLSCHAFT Während des Prozesses stellte Ertl sich als Nazi-Gegner dar und erinnerte an das demokratische Image des Bauhauses. Er sei »gezwungen« gewesen, »in schlechter Gesellschaft zu sein«, gab der Architekturhistoriker Robert Jan van Pelt 2010 in der Zeitung »Haaretz« Ertls Aussage wieder. Van Pelt, der an der University of Waterloo in Ontario arbeitet, hatte den Prozess 1972 verfolgt. »Ertl behauptete, er habe ein paar Mal versucht, die ihm zugeteilte Arbeit zu vermeiden«, berichtete van Pelt. »Ich glaube ihm, wenn er sagt, er sei von den SS-Taten verstört gewesen.«
Erst Jahre nach seinem Freispruch wurden Beweise gefunden, dass Ertl sehr wohl wusste, wofür seine Bauten dienten: Er war 1942 dabei, als der Beschluss zum Bau der Gaskammern und Krematorien für die Ermordung der in Auschwitz-Birkenau eingepferchten Juden gefasst wurde. Belangt wurde er nicht mehr, 1982 starb Fritz Ertl in Linz.