Die Schwestern Hilde und Rose Berger hatten sehr viel Glück. Sie überlebten als Juden und Linke die Jahre der Verfolgung. Geboren sind sie 1914 beziehungsweise 1918 im ukrainischen Boryslaw, aufgewachsen im Berlin des Ersten Weltkriegs als staatenlose Juden. Später emigrierten sie, nach Verfolgung und kurzer KZ-Haft, in die USA, wo sie vor wenigen Jahren verstorben sind.
Interviews Als Mitglieder des legendären New Yorker Stammtisches vertriebener Österreicher und Deutscher teilten sie im Alter ihre Erfahrungen, knüpften auch wieder Kontakte mit ihrer alten Heimat. 1996 lud Alfred Biolek Hilde Berger in seine Talkshow ein, wodurch ihr Schicksal einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Reinhard Hesse, mit den Bergers weitläufig verwandt, hat fünf umfangreiche Interviews mit Hilde und Rose aus den Jahren 1978 bis 2005 zu einem lesenswerten Buch zusammengestellt. Ergänzt werden die Interviews durch Erläuterungen, Fotos sowie einen persönlichen Brief des Herausgebers.
Hilde Berger Olsen arbeitete als Sekretärin des jungen Industriellen Berthold Beitz und später für Oskar Schindler. Sie war zuständig für die Anfertigung jener Liste, dank der etwa 1200 Juden in Polen und der CSSR überlebten. Der kürzlich verstorbene Beitz – der, weil er mehreren 100 Juden das Leben gerettet hat, 1973 von Yad Vashem als »Gerechter unter den Völkern« geehrt wurde – hat kurz vor seinem Tode das persönlich gehaltene Vorwort verfasst.
Dramatisch Hierin führt er aus:»Hilde Berger und ich waren noch in unseren 20ern, als wir in Boryslaw die wahrscheinlich dramatischste, prägendste und schwierigste Zeit unseres Lebens durchmachten. Sie als jüdische Gefangene – auch als meine zweite Sekretärin immer vom Tode bedroht. Ich als jugendlicher Chef der kriegswichtigen ›Karpaten-Ölgesellschaft‹ mit Tausenden von Beschäftigten – immer gezwungen, mit den damaligen Machthabern zurechtzukommen.«
Die Interviews mit Rose und Hilde Berger ermöglichen einen guten Einblick in zwei komplexe politische Biografien. Die Themen eines jüdischen Lebens, Loslösung von den Eltern, zunehmende politische Radikalisierung, sozialistischer Zionismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Überleben von Verfolgungssituationen, Trotzkismus sowie spätere politische Liberalität in den USA bilden prägende Motive des Buches.
Reinhard Hesse (Hg.): »Ich schrieb mich selbst auf Schindlers Liste. Die Geschichte von Hilde und Rose Berger«. Mit einem Geleitwort von Berthold Beitz. Psychosozial, Gießen 2013, 224 Seiten, 19,90 €