Der Übersetzer und Interpret der Qumran-Rollen vom Toten Meer und renommierte jüdische Jesus-Forscher, Géza Vermes, ist am 8. Mai dieses Jahres im Alter von 88 Jahren seiner Krebserkrankung erlegen. Der Religionswissenschaftler war Mitglied der British Academy und bis zu seinem Tod Direktor des Forums für Qumran-Studien am Oxford Centre for Hebrew and Jewish Studies sowie Herausgeber des »Journal of Jewish Studies«.
Géza Vermes wurde am 22. Juni 1924 im ungarischen Mako geboren. Seine Eltern konvertierten zum Katholizismus, als er sieben Jahre alt war, er selbst besuchte später eine katholische Schule und wollte Priester werden. Nur knapp entkam er der Deportation in die nationalsozialistischen Todeslager, seine Eltern starben im Holocaust. Nach dem Krieg wurde Vermes zum Priester geweiht und studierte anschließend in Budapest und im belgischen Louvain Orientalistik und Sprachen.
Qumran-Rollen Im Jahr 1950 begann Vermes, als einer der ersten Wissenschaftler überhaupt, die berühmten Schriftrollen vom Toten Meer zu studieren, die wenige Jahre zuvor entdeckt worden waren. 1953 promovierte er mit einer Arbeit über die Qumran-Rollen und legte in den 60er-Jahren die erste englische Übersetzung vor. Sein Buch The Complete Dead Sea Scrolls in English verkaufte sich weltweit eine halbe Million Mal und wurde in die berühmte Reihe »Penguin Classics« aufgenommen.
In der Folge seiner Studien begann Vermes, sich für seine jüdischen Wurzeln zu interessieren, und engagierte sich gegen den Antisemitismus in der katholischen Kirche, die er 1957 endgültig verließ. Im selben Jahr bekam er einen Lehrauftrag am King’s College in Newcastle und wurde schließlich der erste Professor für Jüdische Studien an der Universität Oxford.
Evangelien Einer breiten, auch außerakademischen Öffentlichkeit wurde Vermes neben seiner Qumran-Übersetzung durch seine Studien zum historischen Jesus von Nazareth bekannt. 1973 veröffentlichte er sein Buch Jesus the Jew. A Historian’s Reading of the Gospels, das 20 Jahre später auch in deutscher Übersetzung erschien (Jesus, der Jude). In diesem und in mehreren folgenden Büchern las Vermes die Evangelien streng als Historiker und nicht als Theologe. Er sollte später sagen, dass es seine Beschäftigung mit dem historischen Jesus war, die ihn seinem Judentum wieder nähergebracht hat.
Folgerichtig beschrieb Vermes Jesus nicht als Messias oder als Sohn Gottes, sondern als typischen jüdischen Gelehrten seiner Zeit. Gleichzeitig bestritt er, dass Jesus mit seiner Lehre auch Nichtjuden erreichen, das heißt, missionieren oder eine neue Religion begründen wollte. Die Ernsthaftigkeit seiner Studien brachte ihm Respekt von Historikern, Judaisten und sowohl von jüdischen Religionsgelehrten als auch von christlichen Theologen ein.
Bis zuletzt blieb Géza Vermes produktiv, nahm an wissenschaftlichen Debatten teil und kommentierte in Blogs. Noch im vergangenen Jahr erschien sein letztes Buch Christian Beginnings from Nazareth to Nicaea, AD 30-325.