Auszeichnung

Ein Israeli für die Paulskirche

Der Schriftsteller David Grossman erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2010

von Christian Buckard  14.06.2010 17:44 Uhr

Für Zionismus-Bashing nicht zu haben: Friedenspreisträger David Grossman Foto: dpa

Der Schriftsteller David Grossman erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2010

von Christian Buckard  14.06.2010 17:44 Uhr

Vor wenigen Wochen, am 9. April, stand der Schriftsteller David Grossman, ausgerüstet mit einem Megafon, im Jerusalemer Stadtteil Sheikh Jarra. Dort sollen drei arabische Familien aufgrund eines wohl rechtmäßigen, doch gleichwohl völlig überflüssigen Gerichtsurteils gezwungen werden, ihre Häuser zu verlassen. In jene Häuser, in denen seit 1948 arabische Flüchtlinge leben, dürfen nun rechtsgerichtete Siedler einziehen. Für den Demonstranten Grossman – der von religiösen und säkularen Israelis nach Sheikh Jarra begleitet wurde – ist diese Vertreibung der arabischen Bewohner ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Verständigung und damit nicht im Interesse Israels.

illusionslos Wahrscheinlich erhält David Grossman auch wegen solchen Engagements den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Geehrt wird damit weniger der Romancier und Autor zahlreicher Kinder- und Jugendbücher, sondern vor allem der streitbare Journalist und Befürworter eines israelisch-palästinensischen Ausgleichs. Grossman gehört zu den »üblichen Verdächtigen«, die immer wieder nach Deutschland eingeladen werden, wenn man mit einem israelischen Schriftsteller über Krieg und Frieden im Nahen Osten reden möchte. Es könnte allerdings sein, dass, wenn im Oktober der Preis verliehen wird, manche der Zuhörer in der Frankfurter Paulskirche enttäuscht reagieren. Denn Grossman ist weder ein versponnener Pazifist, noch hat er das so beliebte Zionismus-Bashing im Angebot. Er ist ein Mann der Hoffnung, aber nicht der Illusionen. Schließlich war Grossman Offizier in der »Einheit 8200«, der legendären nachrichtendienstlichen Abteilung der israelischen Armee. »Israel«, so der Schriftsteller, »ist noch immer ein Land, das infrage gestellt wird. Erst wenn Israel feste Grenzen hat, erst dann wird es keine Festung und kein bloßer Zufluchtsort, sondern ein wirklicher Staat, eine Heimat für die Juden sein. Genug ist genug. Es ist Zeit, dass wir unser wirkliches Leben leben.«

Geboren wurde David Grossman 1954 in Jerusalem. Sein Vater, Yitzhak Grossman, stammte aus Polen. Der junge David wuchs sowohl mit hebräischer als auch jiddischer Literatur auf. Nach dem Militärdienst studierte er Philosophie sowie Theaterwissenschaften und arbeitete beim Radio. Sein Erstling Das Lächeln des Lammes (1983) beschreibt das Leben in der Westbank, wurde verfilmt und brachte seinem Autor den »Preis des Ministerpräsidenten« ein, eine von vielen Auszeichnungen, die Grossman erhalten hat. Der Roman Stichwort: Liebe, der 1986 erschien, beschäftigt sich mit Überlebenden der Schoa und wurde erst 1991 ins Deutsche übersetzt. In Israel war er ein Bestseller und wurde als eines der wichtigsten Bücher gepriesen, die in hebräischer Sprache geschrieben wurden.

persönliche Tragödie 2003 begann David Grossman mit der Arbeit an dem Roman Eine Frau flieht vor einer Nachricht, in dessen Zentrum eine israelische Mutter steht, die von zu Hause flieht, damit die Nachricht vom Tod ihres Sohnes, eines Soldaten, sie nicht erreicht. Die Romangeschichte holte ihren Autor drei Jahre später ein. Am 12. August 2006, in den letzten Tagen des Libanonkrieges, erreichte David Grossman die Nachricht, dass sein Sohn Uri zusammen mit drei Kameraden im Kampf gegen die Hisbollah gefallen war. Eine Rakete hatte ihren Panzer getroffen. Eine Frau flieht vor einer Nachricht erschien 2008 (auf Deutsch ein Jahr später) und gilt schon jetzt als einer der wichtigsten Romane im Kanon der hebräischen Literatur.

»David Grossman«, begründet die Jury des Friedenspreises ihre Entscheidung, »gibt dem schwierigen Zusammenleben eine literarische Stimme, die in der Welt gehört wird.« Holprig ausgedrückt und unglaubhaft dazu, denn die Zahl der arabischen Grossman-Leser dürfte sich sehr in Grenzen halten. Aber deswegen ist die Wahl des diesjährigen Preisträgers nicht falsch. Es ist immer richtig, David Grossman eine Auszeichnung zu verleihen. Schon alleine, weil das die Verkaufsauflage seiner Bücher erhöht. Und die haben das verdient.

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024