Am Anfang war der Aufstand. Als es bei der Tageszeitung »Junge Welt« 1997 zum Eklat kam, weil eine Riege zumeist junger Journalisten den »Nationalbolschewismus« sowie die »kommunistische Volkstümlichkeit« des einstigen Zentralorgans der FDJ nicht mehr mittragen wollte und in den Arbeitskampf trat, machten sie kurzerhand ihr eigenes Blatt.
Aus der anfänglichen Streik-Postille von einst wurde die Wochenzeitung »Jungle World«, die sich seit ihrer Geburt nicht nur als eine Antithese zum Puritanismus der klassisch linken Milieus verstand, sondern sich als »dezidiert nicht antizionistisch, antisemitisch und antiamerikanisch« positionierte.
zionistisch Dass man sich damit unter Linken nicht überall Freunde machte, lässt sich unschwer erahnen. Deshalb war es nur folgerichtig, dass die Jungle World 2004 anlässlich der inzwischen legendären Auslandsnummern, für die die Redaktion jedes Jahr 14 Tage in ein anderes Land verlegt wird, auch nach Israel reiste.
Heute hat die Jungle World, zu deren Autoren und Herausgebern übrigens auch der in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel gehört, eine Auflage von 16.000 Exemplaren. Und die Tatsache, dass die Zeitung nun ihren 20. Geburtstag – samt Sonderausgabe und einer Tagung zum Thema Israel am 17. Juni – feiert, ist ein Indiz für ihre Fähigkeit, Themen immer wieder neu zu besetzen und Leser zu binden.
Warum die Jungle World Israel oft zu einem Schwerpunkt in ihrer Berichterstattung macht und das bereits seit nunmehr 20 Jahren, hat ganz konkrete Gründe. »Schließlich ist eine ideologiekritische Auseinandersetzung mit dem antizionistischen Konsens, der in der Linken herrscht, notwendig«, bringt es Federica Matteoni, Mitherausgeberin der Jungle World, auf den Punkt. »Heute ist es sogar kein innerlinker Konflikt mehr wie damals in den 90ern. Das Label ›Israelkritik‹ hat sich allgemein durchgesetzt – von BDS bis zur Tagesschau und UN, ganz zu schweigen von den alten und neuen Rechten.«
bezugspunkte Die Jungle World thematisierte also früher als viele andere den sekundären und auf Israel bezogenen Antisemitismus. »Zum einen sind die deutsche Nazi-Vergangenheit mit dem größten Menschheitsverbrechen aller Zeiten, der Schoa, und der fortbestehende weltweite Antisemitismus für uns als antifaschistische Zeitung ein elementarer Bezugspunkt«, erklärt Ivo Bozic, einer der Mitbegründer und ebenfalls Mitherausgeber.
»Zum anderen ist für uns Israel als einziges Land des Nahen Ostens mit einer demokratischen, liberalen Gesellschaft ein wichtiger Faktor für eine emanzipatorische Entwicklung der Region.«
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