Ausstellung

Ein Hauch von Orient

Khasana. Im Duft so eigen wie im Klang! So duftet nichts, was auf der Erde wächst». Derart mystisch-okkult bewarb Anfang des 20. Jahrhunderts Moritz M. Albersheim sein Parfüm. «Khasana», wie das Duftwasser, hieß auch sein 1892 in Frankfurt/Main gegründetes Unternehmen für «Parfümerien, Toilette-Artikel und Specialitäten». Die Firma expandierte rasch und war in den 1920er-Jahren eine weithin bekannte Adresse der Mainstadt für qualitativ wie preislich hochwertige Düfte, Verwöhnartikel und exquisite Accessoires. Das Ladengeschäft befand sich in der Kaiserstraße, der Standort von Verwaltung und Produktion war in der Nähe des Hauptbahnhofs, in der heutigen Karlsruher Straße.

frankfurt–berlin Die Kuratoren Sabine Kößling und Michael Lenarz haben jetzt die Firmengeschichte von «Khasana» für eine Ausstellung aufgearbeitet, die im Frankfurter Museum Judengasse bis zum 1. April 2012 zu sehen ist. Es geht dort aber nicht allein um Albersheims «Khasana». Parallel erzählt wird die Historie des Berliner Parfümerieunternehmens Scherk. Die Kombination bietet sich an, weil die beiden Familien verwandtschaftlich verbunden waren: Moritz Albersheims Nichte Alice Carsch hatte Ludwig Scherk geheiratet, als der Vertreter der Firma in Berlin war. 1906 machten sich die Scherks in der Hauptstadt selbstständig und reüssierten fast noch rascher als die Frankfurter, wovon ein hochmodernes neusachlich-gläsernes Geschäftshaus Ecke Kurfürstendamm und Joachimsthaler Straße ebenso zeugte wie das Privathaus der assimilierten Familie in Lankwitz, entworfen von Sigmund Freuds Sohn Ernst Ludwig.

Die nicht duftig, dafür aber optisch dicht arrangierte Kabinettsausstellung führt Geschäftsentwicklung, Produkt- und Werbeinnovation anhand von mehr als 200 Objekten aus 70 Jahren vor – Flacons, Verpackungen, Fotos und Dokumente. Das ist nicht nur Parfümerie-, sondern auch Mentalitätshistorie und Geschichte der Reklame. Da wurde etwa 1925 lasziv gefragt: «Um 3 Uhr morgens noch so frische Wangen?» Dazu zeichnete der Grafiker René Ahrlé frivol ein offenkundig unverheiratetes Faschingsfestpaar. Zu sehen ist auch ein vier Minuten kurzer pseudo-ostasiatischer Scherenschnitttrickfilm, inklusive strafendem Buddha, «Herrlich duften die Tränen der Liebe», 1923 realisiert von dem jüdischen Werbefilmpionier Julius Pinschewer.

Flucht und rückkehr Noch 1937 bewarb Scherk ein Gesichtswasser mit dem Slogan: «Sie fühlen gleich, wie Ihre Haut durchflutet und gereinigt wird.» Ein Jahr später, am Abend des 9. November 1938, roch, wie sich Elsa Albersheim später erinnerte, dann die gesamte Kaiserstraße nach den orientalischen Wohlgerüchen der Parfümerie (in der sich manche Frankfurter Jüdin vor der Emigration noch mit dem gewohnten Duft eingedeckt hatte). Das Geschäft wurde in der Pogromnacht verwüstet: «Kein einziges Glas war ganz geblieben. Sämtliche großen elektrischen Kugellampen waren zerbrochen. Kristallene Zerstäuber staken im Holz.» Die Familien Albersheim und Scherk mussten ihre Unternehmen unter Wert verkaufen und emigrierten nach England, Frankreich und in die USA, wo sie dank der dort existierenden Firmendependancen Fuß fassen konnten. Die Restitution beziehungsweise der Rückkauf nach 1945 gingen verhältnismäßig zügig über die Bühne. In den dann folgenden zwei Jahrzehnten aber gerieten die beide mittelständischen Firmen in den Konzentrationssog der Branche. 1959 wurde Scherk verkauft, wenige Jahre später Albersheim. Was bleibt, ist ein faszinierendes Kapitel deutsch-jüdischer Unternehmens- und Werbegeschichte.

«Devise Sauberkeit. Die Kosmetikfirmen Scherk und Dr. Albersheim», Museum Judengasse Frankfurt/Main, bis 1. April 2012

www.juedischesmuseum.de

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«- Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  25.04.2025

100 Jahre "Der Prozess"

Was Kafkas »Der Prozess« mit KI und Behörden-Wirrwarr gemeinsam hat

Seine Liebesworte gehen auf TikTok viral. Unheimlich-groteske Szenen beschrieb er wie kein Zweiter. In Zeiten von KI und überbordender Bürokratie wirkt Franz Kafkas Werk aktueller denn je - eben kafkaesk

von Paula Konersmann  25.04.2025

Reykjavik

Island fordert Ausschluss Israels vom ESC

Das Land schließt sich damit der Forderung Sloweniens und Spaniens an. Ein tatsächlicher Ausschluss Israels gilt jedoch als unwahrscheinlich

 25.04.2025

Popkultur

Israelfeindliche Band Kneecap von zwei Festivals ausgeladen

Bei Auftritten verbreiten die irischen Rapper Parolen wie »Fuck Israel«. Nun zogen die Festivals Hurricane und Southside Konsequenzen

von Imanuel Marcus  25.04.2025

Berlin/Brandenburg

Filmreihe zu Antisemitismus beim Jüdischen Filmfestival

Das Festival läuft vom 6. bis 11. Mai

 25.04.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  24.04.2025