Vor zwei Jahren sorgte eine neue Bauidee für Furore in Berlin: Am Petriplatz im Bezirk Mitte sollte ein riesiges »Bet- und Lehrhaus« gebaut werden, das Kirche, Moschee und Synagoge in sich vereint. Die Wettbewerbsjury vergab den ersten Preis an das Berliner Architekturbüro Kuehn Malvezzi, das ein monumentales Gotteshaus entwarf, »das die drei monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum gemeinsam konzipieren, bauen und betreiben sollen, ohne ihre Identitäten zu vermischen«.
Dafür entwarfen die Architekten drei separate Sakralräume in schlichten geometrischen Formen, ergänzt durch einen gemeinsamen Zentralraum, orientiert am Baukörper der Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörten Petrikirche. Helle Ziegelfassaden sollen einen 44 Meter hohen Turm bilden. Ein doppelgeschossiger Kuppelsaal soll im Entwurf als »Lehrraum« dienen, von dem aus man zu den Sakralräumen und einer grandiosen Stadtloggia mit Blick über Berlin gelangt.
Finanzierung Die konkrete Umsetzung dieses »Sakralbaus neuen Typs« steht jedoch in den Sternen, denn es gibt keine Finanzierung. Ist der Plan deshalb also heiße Luft, die Idee nur Kitsch? Angesichts von radikalmuslimischen Banden, die in Paris und Kopenhagen Europäer christlichen und jüdischen Glaubens brutal ermordeten, scheint es derzeit um die Eintracht unter den drei großen monotheistischen Religionen schlecht bestellt. Dennoch ziert der Entwurf des geplanten »House of One« in Berlin einen neuen Band, in dem sich ein gutes Dutzend – bezeichnenderweise ausschließlich christlich geprägter – Autoren mit dem Thema »Gebetsräume für Menschen verschiedener Religionen« auseinandersetzt.
Das Buch Viele Religionen – ein Raum?! Analysen, Diskussionen und Konzepte versammelt Beiträge, die auf einer Konferenz in Marburg 2013 auf Einladung der Herbert-Quandt-Stiftung gehalten wurden. Wie bei derlei Tagungsbänden üblich, sind die Beiträge disparat. Soziologen, Pfarrer, Theologen, Religionswissenschaftler und Archäologen mühen sich redlich, »multi- von interreligiösen Räumen« zu unterscheiden.
Realität So sperrig wie diese Wörter ist auch die Realität. Das einzige größere Gebäude dieses Typus ist das neue »Haus der Religionen« in Bern, das auch für buddhistische, alevitische und hinduistische Gläubige intendiert ist und insofern als Vorbild für die Berliner Pläne nicht taugt. Die Jüdische Gemeinde Bern hat keine eigenen Räume in dem Bau eingerichtet, und auch der islamische Kantonalverband Bern hat sich aus dem Projekt zurückgezogen. Am 14. Dezember 2014 wurde der Berner Bau eröffnet, für belastbare Erfahrungswerte ist es also noch zu früh.
In einer »weltanschaulich vielfältig geprägten Gesellschaft« (so die Herausgeberin des Bandes, Bärbel Beinhauer-Köhler) und unter dem Label »Raum der Stille« gibt es derlei interkonfessionelle Räume bisher nur im Mini-Format an Flughäfen und einigen Unis. Bärbel Beinhauer-Köhler sitzt im Stiftungsrat der als CDU-nah bekannten Industriellenstiftung von Herbert Quandt. Der »Trialog der Kulturen«, die »Verständigung zwischen Islam, Judentum und Christentum« ist einer der Schwerpunkte der Stiftung.
»Religiosität ist unter den Bedingungen der säkularen Welt zunehmend individuell, sie verdichtet sich in religionsübergreifenden Milieus. Das Neben- und Miteinander individueller Religiosität, von Religionsgemeinschaften und Konfessionen drängt in gestaltete, auch in gemeinsam genutzte Räume«, heißt es in einem der Beiträge des Bandes. Diese Aussage ist allerdings äußerst zweifelhaft. Denn in Wirklichkeit bleiben die meisten religiösen Gruppen lieber unter sich. Die »Sakralbauten neuen Typs« werden wohl leer bleiben.
Bärbel Beinhauer-Köhler (Hg.): »Viele Religionen – ein Raum?! Analysen, Diskussionen und Konzepte«. Frank & Timme, Berlin 2015, 240 S., 24,80 €