Nachruf

Ein Feingeist und Intellektueller

Mario Levi (1957–2024) Foto: picture alliance / AA

Die Türkei ist um einen Intellektuellen und feingeistigen Menschen ärmer. Mit dem Tod von Mario Levi verliert das Land einen Schriftsteller, der wie kaum ein anderer Istanbul und seinen Minderheiten ein literarisches Denkmal gesetzt hat – insbesondere mit seinem 800 Seiten umfassenden Roman Istanbul war ein Märchen, der in der Türkei 1990 und auf Deutsch 1999 erschienen ist.

Darin erzählt Levi vom einstigen Istanbul der Christen, Juden und Armenier in einer Zeitspanne von 1920 bis in die 80er-Jahre. Und in seinem Buch, das 2011 unter dem Titel Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach? auf Deutsch erschien, schreibt er über den Militärputsch von 1980 und die Zeit danach.

Mario Levi starb im Alter von 66 Jahren am 31. Januar in der Stadt, die er so sehr liebte, dass er anders als viele Nachkommen sefardischer Juden nicht auswanderte. Zwar dachte er nach der Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink 2007 immer wieder daran, wegzugehen. Doch er blieb.

Levi wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich »in der Türkei demokratisches Bewusstsein entwickelt und die multi-ethnische und religiöse Gemeinschaft selbstverständlich wird«. Er hielt »die schizophrene Situation« aus, als Fremder behandelt zu werden, obwohl der Autor einer der nur noch wenigen alteingesessenen Bewohner der mehr als 16 Millionen Bewohner zählenden Stadt war.

Sein erstes Buch veröffentlichte er 1986, vier Jahre später erschien Bir Şehire gidememek – nicht in eine Stadt gehen können, eine Sammlung von Erzählungen über seine Kindheit und Jugend.

Levi war aber nicht nur Schriftsteller, sondern auch Hochschullehrer und brachte anderen in Literaturkursen, die er an der privaten Yeditepe-Universität gab, das Schrei­ben bei. Von seiner Großmutter lernte er Ladino, die Sprache seiner sefardischen Vorfahren. Seine Schulbildung absolvierte er auf Französisch, in Istanbul studierte er Literaturwissenschaft und französische Philologie.

Er hätte vermutlich weit über die Grenzen der Türkei hinaus größere Bekanntheit erlangt, wenn er in französischer Sprache geschrieben hätte, erklärte er einmal einem Journalisten. Auf Türkisch zu schreiben, dies sei ein natürlicher Prozess gewesen. Es komme darauf an, in welcher Sprache man geflucht und die erste Liebe erlebt habe: »Meine Heimat ist die türkische Sprache.«

Glosse

Der Rest der Welt

Hochzeitsnächte und der Vorhang des Vergessens

von Margalit Edelstein  22.04.2025

Graphic Novel

Therese Giehse in fünf Akten

Barbara Yelins Comic-Biografie der Schauspielerin und Kabarettistin

von Michael Schleicher  22.04.2025

TV-Tipp

Arte-Doku über Emilie Schindler - Nicht nur »die Frau von«

Emilie und Oskar Schindler setzten sich für ihre jüdischen Arbeiter ein. Am 23. April läuft auf Arte eine Doku, die Emilie in den Mittelpunkt rückt

von Leticia Witte  22.04.2025

Kino

Film zu SS-Plantage »Kräutergarten« kommt ins Kino

Der Ort ist fast vergessen: Häftlinge im KZ Dachau erlitten dort Furchtbares. Nun erinnert der Dokumentarfilm »Ein stummer Hund will ich nicht sein« daran

 22.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  22.04.2025

Jazz

»Still Blooming«: Neues Album von Jeff Goldblum

Auf seinem neuen Album mischt der Schauspieler Jazzklassiker mit Starpower: Ariana Grande und Scarlett Johansson sind dabei

von Sabina Crisan  22.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  21.04.2025

Sehen!

»Die Passagierin«

Am Deutschen Nationaltheater in Weimar ist eine der intelligentesten Nachinszenierungen von Mieczyslaw Weinbergs Oper zu sehen

von Joachim Lange  21.04.2025

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025