Staunen liegt im Blick der jungen Ruth Bader Ginsburg zwischen all den Männern, die in das Gebäude streben. Als sie endlich sitzen, nimmt ihr umherschweifender Blick immerhin zwei andere Frauen wahr. Es ist das Jahr 1956, seit sechs Jahren dürfen an der Elite-Universität Harvard auch Frauen Jura studieren. Anlass genug für den Dekan, die neun Frauen (unter 500 Männern) des Jahrgangs zu einem Essen zu sich nach Hause einzuladen.
Dort befragt, warum sie Jura studieren wollten, erklärt eine, sie wollte keinen der typischen Frauenberufe ergreifen – »Nicht gut genug!«, kanzelt der Dekan sie ab. Woraufhin Ginsburg (Felicity Jones), als Nächste an der Reihe, erklärt, sie studiere, um damit ihren Mann, der ein Semester über ihr sei, besser unterstützen, kurzum, ihm eine bessere Ehefrau sein zu können.
UMFELD Knapp und präzise umreißt der Film zu Beginn seine Protagonistin und das männlich dominierte Umfeld, in das sie sich begibt. Als Kontrast fungiert ihre Ehe mit Marty (Armie Hammer), den wir zum ersten Mal am Küchentisch sehen, die neugeborene Tochter fütternd. Hammer spielt ihn angenehm zurückhaltend, wie sich überhaupt der ganze Film bemüht, allzu großes Pathos zu vermeiden, was zumal beim Finale im Gerichtssaal schon als Leistung anzusehen ist.
Ihre Chance, etwas zu verändern, kam mit einem scheinbar kleinen Fall in der Provinz.
Die Berufung erzählt die – wahre – Geschichte einer überaus willensstarken Frau, die sich in einer Männerwelt durchzusetzen versucht und der dabei immer wieder Steine in den Weg gelegt werden – da hilft es auch nichts, dass sie ihr Studium als Jahrgangsbeste beendet. 13 Absagen von renommierten Anwaltskanzleien kassiert sie anschließend, wird aber immerhin als Professorin nach Harvard berufen – besser eine Frau als ein Farbiger, lautete die Argumentation, erzählt sie mit Bitterkeit ihrem Ehemann. Für den hat sie übrigens zu Beginn ihres Studiums, als bei ihm Krebs diagnostiziert wurde, zusätzlich seine Seminare belegt und ist anschließend mit ihm zu Hause den Stoff durchgegangen.
Ihre Chance, etwas zu verändern, kommt mit einem scheinbar kleinen Fall in der Provinz: Einem unverheirateten Mann wird es verwehrt, die Pflege seiner Mutter als Steuerabzug geltend zu machen – Pflege sei ausschließlich Sache von Frauen. So wird der Fall der Diskriminierung eines Mannes zum Hebel, die Ungleichheit von Frauen vor dem Gesetz an die Öffentlichkeit zu bringen – mit dem Ruth Bader Ginsburg Geschichte schreiben sollte.
Dieser Film ist ein absolutes Muss.
CLINTON Mit dem deutschen Untertitel Ihr Kampf für Gerechtigkeit und dem ungleich prägnanteren Originaltitel On the Basis of Sex ist dieser Film das fiktionale Gegenstück zum Dokumentarfilm RBG, der erst vor drei Monaten in den deutschen Kinos anlief und das ganze Leben der von Bill Clinton ans Oberste Bundesgericht berufenen Frau zeigte.
Und wie schon RGB ist auch dieser Film ein absolutes Muss. Es ist zu hoffen, dass der Spielfilm auch ein Publikum erreicht, dem der Name von Ginsburg und das, wofür sie steht, bislang wenig bekannt war.
»Die Berufung« läuft am 7. März in den Kinos an.