Bilder

»Drei Juden haben Berlin erobert«

Brandenburger Tor Das Bild zeigt Jewgeni Chaldej, den Schriftsteller und TASS-Korrespondenten Jewgeni Dolmatoeski und den Wochenschau-Kameramann Carmel. Der knappe Kommentar von Chaldej dazu: »Drei Juden haben Berlin erobert.« Für den Fotografen, dessen Vater und Schwestern in der Schoa ermordet wurden, war die Einzug in die Hauptstadt auch ein ganz persönlicher Sieg.

Reichstag Das Foto »Die Flagge auf dem Reichstag« ist eine der Bildikonen des 20. Jahrhunderts. Aufgenommen am 2. Mai 1945, symbolisiert es das Ende des Faschismus, das Ende Hitlers und das Ende des Zweiten Weltkriegs. In Russland kennt noch heute jeder dieses Motiv. Als 1994 die Kriegsfotos von Chaldej in Deutschland gezeigt wurden, flog er, sooft er es einrichten konnte, von Moskau nach Berlin. Von dort fuhren wir zusammen zu den Ausstellungsorten, wo sich Chaldej der Diskussion stellte. Meist hatten wir ein volles Haus. Eine Frage wurde immer als Erste gestellt. Es war eigentlich keine Frage, sondern ein indirekter Vorwurf. »Das Bild ist doch gefälscht oder inszeniert oder gestellt oder wie?« Chaldej antwortete immer mit dem gleichen Satz: »Das ist ein gutes Foto. Die nächste Frage, bitte.« Tatsache ist, dass Chaldej eine Armbanduhr am Handgelenk des Sowjetsoldaten retuschiert hatte und später zwei Rauchwolken hinzufügte, um die Szene dramatisch zuzuspitzen.

Flughafen tempelhof Es ist Mitte Mai. Der Krieg ist zu Ende. Jetzt geht es ums Überleben. Vor dem Tempelhofer Flughafen liegt ein verendetes Pferd. Die Versorgung der Stadt ist zusammengebrochen, Lebensmittel sind kaum vorhanden. Der Hunger treibt die Menschen auf die Straße. Selbst auf die Gefahr hin, sich mit einem tödlichen Virus anzustecken, wird jede Gelegenheit genutzt, etwas Essbares aufzutreiben.

Mehringdamm Während der Kämpfe in der Stadt suchte die Berliner Zivilbevölkerung Schutz in den U-Bahn-Schächten. Auf diesem Bild an der Kreuzung Mehringdamm/Yorckstraße trauen sich einige Frauen nach draußen. Eine hat noch ihre Schuhe in der Hand. Chaldej sprach mit ihnen, als er das Foto machte. Sie hatten eine Woche in den Schächten verbracht und konnten es nicht fassen, dass sowjetische Panzer durch die deutsche Reichshauptstadt fuhren. »Goebbels sagte doch, in Berlin wird kein einziger russischer Soldat sein.« Chaldej datierte dieses Bild auf den 30. April 1945. Es war der Tag, an dem Hitler mit seiner gerade angetrauten Ehefrau Eva Braun Selbstmord beging.

Jewgeni Chaldej
kam 1917 in Donezk in der Ukraine zur Welt. Seine Mutter wurde ein Jahr später bei einem Pogrom ermordet. Seit 1936 arbeitete Chaldej als Fotograf bei der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS. Ab 1941 begleitete er die Sowjetarmee im Krieg gegen die Deutschen und war bei der Eroberung Berlins dabei. Während der antisemitischen Kampagne 1948 wurde Chaldej als Jude bei TASS entlassen und konnte erst drei Jahre nach Stalins Tod (195) wieder in seinem Beruf arbeiten. Jewgeni Chaldej starb 1997 im Alter von 80 Jahren in Moskau.

Autor Ernst Volland traf Chaldej erstmals 1991 und hat ihn in Deutschland bekannt gemacht. Gemeinsam mit Heinz Krimmer hat er soeben das Kriegstagebuch des Fotografen veröffentlicht (Verlag Das Neue Berlin, 224 S., 24,95 €).

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025