Der Titel ist Programm. In Glow funkelt und glitzert alles in Neonfarben, zumindest wenn das Scheinwerferlicht der Bühne an ist. Die Serie, deren zweite Staffel am nun bei Netflix angelaufen ist, spielt in der Welt des Frauenwrestlings der 80er-Jahre und dort sind nicht nur die Frisuren überdimensional und die Kostüme too much, sondern auch die Schaukämpfe der grotesken Kunstfiguren, die diese Frauen verkörpern.
Jede im Team hat ein spezifisches Stereotyp entwickelt, wie die schwarze übergewichtige Tammé (Kia Stevens), die im Ring zur asozialen »Welfare Queen« wird, oder die indisch-amerikanische Arthie (Sunita Mani), die sich zur Nahost-Terroristin »Beirut the Mad Bomber« stilisiert.
Tiefe Es ist ein großes Vergnügen, diesem absurden Zirkus zuzusehen, gerade auch weil die Figuren immer an die Biografien der Wrestlerinnen gebunden sind, die sehr selbstbestimmt und ironisch mit Klischees spielen. Durch die Verknüpfung mit den persönlichen Leben, bekommen diese auf den ersten Blick oft lächerlich wirkenden Schaukämpfe so eine erstaunliche emotionale Tiefe.
Im Zentrum steht, wie schon in der ersten Staffel, die von der jüdisch-amerikanischen Schauspielerin Allison Brie dargestellte Ruth Wilder, deren Traum von der Schauspielkarriere sich nicht erfüllt hat, und die sich nun mit einer bisweilen enervierenden Mischung aus Determination und Naivität in den Ring wirft und permanent versucht, ein bisschen Niveau in die Veranstaltung zu bringen.
Ihre zunächst beste Freundin Debbie Eagan (Betty Gilpin), ein ehemaliger Soap Opera-Star, wird zu ihrer größten Feindin, nachdem diese herausfindet, dass Ruth während Debbies Schwangerschaft eine Affäre mit ihrem Mann hatte. Es ist alles genauso zu viel wie es klingt, aber Glow weiß das natürlich und spielt damit. Der Konflikt wird schließlich auf die Bühne übertragen, wo sich Debbie als US-Patriotin und Ruth als Sowjet-Bösewichtin in der Hochphase des Kalten Krieges gegenseitig verkloppen.
diktatorisch In Staffel 2 hat sich nun eine ethnisch und sexuell sehr diverse Gruppe von Frauen zusammengefunden, die unter der diktatorischen Regie des frustrierten Ex-Indie-Regisseurs Sam (genial: der amerikanisch-jüdische Schauspieler Marc Maron) eine wöchentliche Show drehen und dabei zwischen loyaler Solidarität und Konkurrenz untereinander schwanken.
Den Serienmacherinnen Liz Flahive und Carly Mensch mit Produzentin Jenji Kohan (Orange Is the New Black) gelingt dabei eine vergnügliche Gratwanderung, die das Spektakel des Frauenwrestlings feiert, ohne die Protagonistinnen aufs Parodistische zu reduzieren. Es geht ihnen letztlich gerade darum, wie Frauen in einem Showbusiness, das immer wieder auch degradierend ist, ihre Würde bewahren. So eindimensional ihre Bühnencharaktere sind, umso widersprüchlicher sind sie offstage.
Dass das funktioniert, liegt an den Drehbüchern, aber auch an den exzellenten Darstellerinnen, die scheinbar mühelos zwischen dem over the top im Ring und den authentischen privaten Momenten wechseln. Das macht Glow zu weit mehr als einem Guilty Pleasure. Die Serie schafft die hohe Kunst, das Triviale mit Reflexion zu verbinden. Und das Trashige an diesem Universum nicht zu verspötteln, sondern als Selbstermächtigung zu feiern.
»Glow« läuft bei Netflix.