Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Drake, Man of Mystery. Der Erfolg des 28-jährigen Rappers aus Toronto, Kanada, bleibt ein Geheimnis. Seine Biografie prädestiniert ihn nicht gerade für eine Karriere im Hip-Hop: aufgewachsen in einer konfliktfernen Gegend, Sohn einer jüdischen Mutter und eines schwarzen Vaters, in seiner Jugend Schauspieler bei Degrassi High, einer Soap für Teenager.
Und doch ist er seit mehr als fünf Jahren einer der größten Stars im Mainstream-Rap, der illustre Freunde hat, tatsächlich noch Alben verkauft und sich sogar den zähneknirschenden Respekt einiger, nicht aller, Hip-Hop-Ultras verdient hat. Seine Jüdischkeit spielt selten eine explizite Rolle – für das Video zu »HYFR« hat er seine Barmizwa nachgestellt, für einen Sketch der Comedy-Show Night Live ebenfalls.
unerfreulich Sein neues Album »If You’re Reading This It’s Too Late« ist ein unerfreuliches Geheimnis. Das fängt schon bei der Klassifizierung an: Ist es ein Album oder ein Mixtape? Es wurde plötzlich und ohne Ankündigung oder Hype auf iTunes veröffentlicht, was manche vermuten lässt, dass es eine Art Abfallprodukt ist, das Drake dabei helfen soll, seinen Vertrag mit dem Label Cash Money aufzulösen.
Sein Album fühlt sich tatsächlich nicht wie ein Album an – Drake hat sich bisher stets bemüht, vermeintliche »Klassiker« zu produzieren, Alben, die eine Epoche markieren sollten. Es geht um Drakes alte Themen: wie schwer der Ruhm ist; wie schwer es ist, mit so vielen Frauen zu schlafen, die man nicht liebt; wie schwer es ist, Drake zu sein. Natürlich ist das erste Thema fast aller Rapper »ich« und das zweite »gegen die Welt«. Aber das so bemerkenswert pubertär, wehleidig und banal zu machen, dafür muss man Drake fast schon bewundern.
Dabei sind die Beats – atmosphärische düstere Ambient-Sounds – geschmackssicher ausgewählt. Auch »technisch« – also die ganz simple Frage, mit wie viel Präzision und Rhythmus er rappt – kann man wenig aussetzen. »Seelenlos« kann man das Album auch schlecht nennen – Drake glaubt das ganze solipsistische Geleide, den »Männerschmerz«, den er da verbreitet, selbst wenn es kein anderer tut.
Kabbala Vom spärlichen Cover hin zu den handgeschriebenen »liner notes« schreit das Album: Achtung, tief gehende Kunst! Dazu gehört das Spiel mit Zahlen, das aber eher Wu-Tang Clan an einem schlechten Tag als Kabbala ist. Drake kommt aus Toronto, das die Postzahlen 416 und 647 hat, und nennt seine Heimatstadt daher nur »the 6«. Außer ihm tut das niemand – und außer ihm wird das ganz sicher auch niemand anderes tun.
Im Song »Madonna« widmet sich Drake wieder einmal der Eroberung von Frauen. Er verspricht dem Opfer seiner Begierde, sie so berühmt zu machen wie Madonna. Weil es manchmal Gerechtigkeit in der Welt gibt, wurde Drake jüngst auf der Bühne von Madonnas Zunge überrascht und war davon keineswegs angetan.
Der Albumtitel verweist auf einen Abschiedsbrief: Wenn ihr das lest, ist es zu spät. Optimisten könnten hoffen, dass damit Drakes Karriereende gemeint ist. Doch er schickt sich an, die Behauptung zu bestätigen, dass Selbstmord egoistisch ist: »Oh my God – If I die I’m a legend«. Würde Drake so weit für Ruhm gehen? Er weiß hoffentlich, dass es im Jenseits keine Instagram-Follower gibt.
Drake: »If You’re Reading This It’s Too Late«. iTunes